Predigten von Superintendentin Dr. de Vos

Gnade sei mit uns und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.

Liebe Gemeinde,

„Früher war alles besser“. Ich denke, dass alle, die hier sind, diesen Satz schon mal gehört haben.

„Früher war alles besser“: Warum sagen Menschen das?

Jugendliche, die das hören, verdrehen häufig die Augen. Sie können mit dem „Früher“ wenig anfangen, sodass dieser Satz eine Kluft entstehen lässt zwischen den Älteren, die das sagen, und ihnen.

Manchmal wecken Menschen, die das sagen, den Eindruck, als würden sie nicht gerne im Heute leben, als hätten sie Sehnsucht nach alten Zeiten. Verklären sie damit die Vergangenheit?

Und dann kommt man in ein Alter, in dem man sich selbst ab und zu selbst bei diesem Gedanken erwischt … dass zumindest manches früher besser war. Ich bekenne mich „schuldig“

Wofür steht diese Äußerung? „Früher war alles besser“ Heißt das, dass jemand verunsichert ist? Dass er oder sie sich nicht zurechtfindet oder nicht zurechtfinden mag in den heutigen Lebensbedingungen?

War früher manches klarer? Oder wird die Vergangenheit verklärt, weil nur noch die angenehmen Erinnerungen vor Augen stehen und das Schwere vergessen ist?

Vermutlich stimmt von manchem ein wenig. Sicher ist: Diese Äußerung ist nicht neu.

Früher hat man auch schon gesagt, dass früher alles besser war….

Ein Zitat gebe ich Ihnen zum Besten: „Die Jugend achtet das Alter nicht mehr, zeigt bewusst ein ungepflegtes Aussehen, sinnt auf Umsturz, zeigt keine Lernbereitschaft und ist ablehnend gegen übernommene Werte“. Klingt doch ganz und gar nicht angestaubt, oder? Dabei stammt dieses Zitat von einer Tontafel aus der Kultur der Sumerer ungefähr 3000 Jahre vor Christus; das sagt man also schon seit mindestens 5000 Jahren.

Lassen Sie uns einmal anders schauen auf diesen „Lebensseufzer“, denn Anlass für meine Bemerkungen bietet der Text aus dem Alten Testament, den wir vorhin gehört haben.

Unser Predigttext ist ein Zeugnis, das ebenfalls schon einige tausend Jahre alt ist, bei dem sich eine ganze Gruppe von Menschen dem sehnsuchtvollen Blick nach der Vergangenheit hingibt und am liebsten zurück will, zurück in die alten Zeiten.

Ganze sechs Wochen sind sie unterwegs, seit sie aus Ägypten fliehen konnten. Eineinhalb Monate. Wenn sie gewusst hätten, dass aus diesen sechs Wochen vierzig Jahre werden würden…? Aber das ist nur ein Gedanke zwischendurch.

Das Volk beschwert sich bei seinen Anführern. Die Menschen haben Hunger. Es gibt nichts zu essen. Nachvollziehbar, dass sie dann murren. Und klar, dass die Menschen zu ihren Anführern, zu Mose und seinen Bruder Aaron, gehen. Bloß, was sie jetzt sagen, ist trotzdem bemerkenswert: „Früher haben wir an den Fleischtöpfen gesessen und genug Brot zu Essen gehabt. Ach, wären wir doch in Ägypten geblieben!“

Wohl gemerkt: Ägypten, das war das Land, aus dem sie geflohen waren, weil die Ägypter sie als Sklaven gehalten hatten. Aus dieser bedrängten und bedrohlichen Situation hat ihr Gott sie gerettet. Ihr Gott, der Gott des Volkes Israel, hatte Mose als Anführer ausgewählt und die Menschen befreit. Er hatte ihnen die Flucht ermöglicht. Gerade erst hatte sein Volk auf wunderbare Weise trockenen Fußes durch das Schilfmeer wandern lassen, während die Wassermassen über den Verfolgern wieder zusammenschlugen.

Ein paar Tage später dann der Seufzer „früher war es besser“, mehr noch: „Wären wir doch in Ägypten gestorben, statt hier in der Wüste zu hungern.“

Was auffällt: die Menschen haben all das offenkundig vergessen, das dieses „Früher“ gar nicht so gut dastehen lässt: Sie waren unterdrückt, der Pharao hatte sogar Säuglinge töten lassen. Sie waren gefangen in Sklaverei, abgesehen davon, dass es sehr fraglich ist, ob sie als Sklavinnen und Sklaven überhaupt viel von den ägyptischen Fleischtöpfen abbekommen haben.

So verständlich es ist: Hunger ist quälend, aber nur weil die Gegenwart schwer ist, war die Vergangenheit noch lange nicht besser!

Wie ging es weiter? Gott sorgte für seine Menschen. Er schickt offenkundig zuerst sogar Fleisch! Wachteln fallen einfach vom Himmel – das klingt nach Schlaraffenland (wenn Sie sich nicht vegetarisch ernähren…). Das Eigentliche geschieht am nächsten Morgen, als sie am Boden etwas Fremdes sehen und sagen „Man hu“? – das ist Hebräisch und heißt schlichtweg „was ist das?“. Die Bezeichnung Manna in der Wüste stammt von diesem Ausruf.

Die Menschen sammelten das Manna – aber sie sollten ausdrücklich nicht mehr sammeln als sie brauchten. Und wer sich nicht daran hielt, konnte erfahren, dass alles, was übrig blieb, verschimmelte, das Sammeln von Vorräten brachte gar nichts.

Diese Geschichte ist eine große Herausforderung, nämlich wie man Enttäuschungen bewältigt, wie man sich öffnet, wie man lebt im Hier und Jetzt und dabei Vertrauen entwickelt!

Bildlich lässt sich vieles von den Erfahrungen in der Wüste auf unsere Lebensbedingungen übertragen:

Gott befreit uns von den must have-Vorstellungen, von dem, was so unbedingt sein muss, von dem, wie Dinge laufen müssen, weil wir uns sonst übergangen oder überfordert fühlen.

Gott befreit uns, damit wir unseren Blick auf die aktuelle Situation richten können, ohne dass die Trauer um die Vergangenheit uns lähmt. Dazu gehört allerdings Vertrauen.

War früher alles besser? Da ich diese Redeweise von der Kanzel aus in Erinnerung rufe, darf ein Blick auf unsere Kirche nicht fehlen. Denn auch über die Kirche höre ich immer wieder „früher war alles besser“. Früher gehörten mehr Menschen zur Kirche, früher hatte die Kirche in der Gesellschaft einen ganz anderen Status, früher – diese Reihe ließe sich weiter fortsetzen.

Ich möchte Ihnen persönliche Erfahrungen schildern: In den letzten Monaten habe ich vor Gottesdiensten, Veranstaltungen oder Sitzungen häufiger bei anderen nachgefragt, wie was in dieser Gemeinde oder jenem Gremium üblicherweise gehandhabt wird. Schließlich bin ich noch kein Jahr hier als Superintendentin und kenne nicht alle Vorgänge. Wenn ich also pragmatisch klären wollte, wie wir dies oder jenes jetzt tun, dann bekam ich häufiger als Antwort: Ja, früher waren wir ja mehr Leute, da haben wir das so und so gemacht. Aber das geht ja nicht mehr. – Auf meine pragmatisch gemeinte Frage kam mir ganz viel Trauer entgegen. Als würde es schwer fallen, miteinander zu überlegen, wie wir eine konkrete Aufgabe anpacken, weil anlässlich dieser Frage alle Erinnerungen hochkommen an andere Zeiten, in denen wir mehr Leute waren. Zeiten, in denen vieles besser war. Mich stimmt das sehr nachdenklich. Wenn Trauer um Verlorenes uns daran hindert, unser Leben heute anzupacken: wenn das Verlusterlebnis frisch ist, dann ist das völlig normal. Dann braucht man erst einmal Kraft und Mut, die nächsten Schritte unter ganz neuen Bedingungen zu gehen. Aber die Trauer darf uns als Gemeinde, als Kirche nicht lähmen!

Sicher, die Kirche war bei Gottesdiensten voller: Aber nicht alle, die da saßen, waren aus freien Stücken da. Erwartungsdruck anderer ließ manche zur Kirche gehen, deren Herz für das Evangelium nicht automatisch offen war. Und so lassen sich weitere Beispiele aufzählen. Was ich sagen will: Es gibt sicher vieles, das früher besser war. Aber es wäre je genau zu klären, wann dieses früher war und unter welchen Bedingungen das wirklich besser war.

Früher war zum Beispiel die gesellschaftliche Rollenverteilung klarer, jede Person wusste leichter, wo ihr Platz ist. Andererseits durfte noch zu meinen Lebzeiten eine Frau nicht ohne Zustimmung ihres Mannes arbeiten gehen oder ein Konto eröffnen. Das kann ich nicht besser finden!

Ma na? Was ist das? Was ist das heute? Wie können wir umgehen mit all den individualisierten Entscheidungszwängen, mit Unfrieden und Unklarheiten?

Ma na? Was ist das? Wie können wir umgehen mit einer kleiner werdenden Kirche? Die neuesten Prognosen sagen, dass die Mitgliederzahl im Kirchenkreis Nienburg zwischen 2010 und 2035 um knapp die Hälfte zurückgehen wird, von 40.000 auf 21.000.

Früher, ja früher…

Wie können wir heute damit umgehen? Wie wollen wir in die Zukunft gehen?

Für das Heute bekommen wir Manna: Denn die gute Nachricht ist, dass die Botschaft des Evangeliums in ihrer Kraft nicht abnimmt. Unser Gott wird nicht halbiert, wir dürfen weiter jeden Schritt von Gott begleitet gehen. Immer genug für jeden einzelnen Tag. Weder Vorräte sammeln noch gebannt zurückschauen hilft für das Heute.

Was ich mich für uns als Kirche frage: Wenn viele Menschen so viel Trauer im Herzen haben um das, was nicht mehr möglich ist – wo ist der Raum, um diese Trauer zu bearbeiten? Welche Wege gibt es, um sich miteinander der Gegenwart zuzuwenden?

Die vollen Kirchen zu sonntäglichen Gottesdiensten sind ebenso Vergangenheit wie die Fleischtöpfe Ägyptens.

Was ist das heute? Denn Manna – im übertragenen Sinne – hat Gott für uns ebenso bereit wie für sein Volk damals in der Wüste. Für jeden Tag genug, um vertrauensvoll, bewusst im Heute zu leben. Lasst uns die Augen und Herzen offenhalten und miteinander entdecken, welche Wege wir gehen können! Dazu gehört sicher auch Mut und Nüchternheit, dazu gehört aber ebenso, dass wir uns – verschieden wie wir sind – unterstützen und austauschen über Ideen, Erfahrungen und Hoffnungen.

Manna, das war etwas zu essen, das die Israeliten vorher noch nie gesehen oder geschmeckt hatten. Sie wurden mit etwas Neuem beschenkt. Ich bin sicher, auch bei uns kann Neues entstehen. Dafür möchte ich gerne zusammen mit Ihnen die Augen und Herzen offenhalten, um miteinander im Hier und Jetzt lebendige Kirche zu sein. Es gibt zahlreiche Ideen, wie das aussehen könnte. Aber es ist vielleicht Manna und nicht das altgewohnte Frühstücksbrötchen, um noch einmal das Bild zu bemühen.

Gott hilft uns, in der Gegenwart zu leben und bewusst unser Leben als eines zu erfahren, das er uns ermöglicht. Von der Hand in den Mund hat das Volk Israel in der Wüste zu leben gelernt. Dann wird er uns auch nicht allein lassen.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Predigten von Pastorin Schmid-Waßmuth

Lalalaaaala lalalalalaa – ja, danke auch für den Ohrwurm! Jetzt werde ich dieses Lied nicht mehr los!

Liebe Abiturientinnen und Abiturienten, liebe Schulgemeinde,

ein Abschieds-Lied habt Ihr im Chor gesungen! Oder eher: ein Wiedersehens-Lied:

"It’s been a long day without you my friend. And I’ll tell you all about it when I see you again. We’ve come a long way from where we began. Oh I’ll tell you all about it when I see you again."

Das Lied ist so gut, ich war kurz versucht, meine Predigt zu rappen. – Aber keine Sorge, ich verschone Euch. Rappen gehört nicht zu meinen Stärken.

Ich musste bei dem Lied und angesichts Eures Abschiedes, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, an mein erstes Klassentreffen nach dem Abitur denken. Es fand nach 20 Jahren statt. Und ich hatte keinen meiner ehemaligen Mitschüler in der Zwischenzeit wiedergesehen.

Und wisst Ihr, was irre war? Die Klassenkameradinnen hatten sich zwar total verändert. - Naja, einige auch irgendwie überhaupt nicht! Die sahen noch so aus wie früher und die verhielten sich auch noch so! - Aber sie lebten jetzt alle ein sehr anderes Leben, z.T. weit weg. Waren im Beruf, hatten Familie, trugen Verantwortung.

Aber die Zuneigung, die freundschaftlichen Gefühle, dieses Auf-derselben-Wellenlänge-Sein – das war mit denen sofort wieder da, mit denen man sich damals auch super verstanden hat. Ich konnte auch nach zwei Jahrzehnten mit alten Freundinnen in Erinnerungen abtauchen und über die damaligen Lehrer ablästern – und für andere weiter schwärmen. Und auch andere Gefühle von damals waren wieder sofort da: Das Misstrauen dem einen gegenüber, das nicht so richtig ernst nehmen können dem anderen, - die Distanz und die Nähe, das Vertrauen und die Abneigung. Alles wie früher! Sofort wieder da, als hätte es die Zeit dazwischen nicht gegeben. Manches bleibt, auch wenn die Gesichter faltiger werden.

Aber vielleicht dauert es bei Euch nicht so lange, bis Ihr Euch wiederseht. Vielleicht kommt Ihr mal zum Altstadtfest nach Nienburg zurück, für die einen noch Semesterferien, für andere zumindest Wochenende. Wie schön, wenn man dann an den Stand von ASS und St. Martin hier vor der Kirche kommt und dort erinnert sich jemand an dich: Remember me, when I am gone.

Vermutlich wisst Ihr das: Der Soundtrack „See you again“ zum Film „Furious 7“ ist auch eine Hommage gewesen für einen, der viel zu früh verstorben ist, für Paul Walker. Und es steckt in den Liedzeilen die Hoffnung, ihn einst wiederzusehen. Am anderen Ende. Jenseits von allem, was war und was ist.

Es gibt am Ende des Films eine Szene am Meer, in der Paul Walker glücklich auf die am Strand spielende Familie zurückschaut und sich dann umdreht und geht. Da geht es auch ganz viel um die Bedeutung von Zuhause und um Abschied.

Und ich muss an unseren Psalm denken, Psalm 139. Wir haben Verse daraus in der Lesung vorhin gehört: „Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand, Gott, mich führen und deine Rechte mich halten. Spräche ich: Finsternis möge mich decken und Nacht statt Licht um mich sein –, so wäre auch Finsternis nicht finster bei dir, und die Nacht leuchtete wie der Tag.“ Also: Nichts kann mich schrecken, denn Gott hält mich.

Mich würde interessieren, wie es Euch heute geht: Wer von Euch kann es gar nicht erwarten, loszugehen in ein neues Leben. Lieber heute als morgen! Hand hoch! (Vier melden sich, davon eine Person deutlich hinter der Reihe der Schülerinnen und Schüler)

Äh, nee, ich meinte jetzt nur die Abiturientinnen und Abiturienten! Alle anderen bleiben hier?

Segen mit Euch, die Ihr es kaum erwarten könnt!

Aber vielen von Euch scheint es Angst zu machen. Oder es erzeugt so ein Ziehen im Herz, Trauer, dass die gute Zeit in der Schule vorbei ist, dass Ihr den einen oder die andere vielleicht nicht mehr sehen werdet.

Dann erst recht: Segen mit Euch!

Denn ob Ihr wollt oder nicht, ob Ihr geht oder bleibt: Ihr trennt Euch – von Eurer Kindheit. Ihr verlasst – die Geborgenheit Eurer Heimat und Familie und der Freunde, wo man alles kennt und alles seinen vertrauten Gang geht, vorhersagbar, einschätzbar. Ihr macht eine Trennung durch.

Und nicht nur Ihr, Eure Mütter und Väter, Eure Geschwistern und Großeltern ebenso. Und auch wenn es wahnsinnig schwerfällt: Das ist gut so. Das ist richtig. Das war schließlich das Ziel vom ganzen Großziehen: dass Ihr erwachsen und eigenständig werdet.

Wie gut zu wissen: Da ist jemand, der verlässt Euch nicht. Die-der versteht eure Gedanken von ferne, wie ein guter Freund, eine gute Freundin. Gott geht immer mit. Trennt sich nie von Euch. „Ich gehe oder liege, so bist du um mich“ - selbst „am äußersten Meer“ wird Gottes „Hand Dich führen“ und seine „Rechte Dich halten“.

Jetzt würde ich Euch am liebsten Eure Handys abnehmen. Ich würde jedem und jeder eine App runterladen: nämlich die Bibel. Damit Ihr die immer dabeihabt. Denn die ist genau für solche Leute wie Euch geschrieben worden: für Menschen, die auszogen und ausziehen werden. Nicht nur aus Ägypten. Sondern auch aus Nienburg. (Ah einige signalisieren, sie haben sie schon. Reli-Leitsungskurs... Alles klar, sehr gut!)

52mal heißt es in der Bibel „Fürchtet Euch nicht“, „fürchte dich nicht“, „vertrau auf Gott und hab keine Angst“. Einmal für jede Woche. Also nimm deine Bibel mit. Und lass dich daran einmal die Woche erinnern, dass Gott zu Dir sagt: „Fürchte dich nicht. Ich bin mit dir! Weiche nicht, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich ich helfe dir auch, ich halte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit.“ Jes 41,10

Denn als Christin und Christ hast du mit Christus schon immer deinen besten Freund mit dabei. Du bist Deinen Ängsten nicht ausgeliefert. Die haben nicht das letzte Wort über Dich. Benenne sie, banne sie: Sag deinem Gott: „Ich habe Angst!“ Und sag deiner Angst: „Ich - habe Gott.“

Sag deinem Gott: „Ich habe Angst!“ Und sag deiner Angst: „Ich - habe Gott.“

Du hast einen Freund, eine Liebe, die stärker ist.

Kennt Ihr das Video zu dem Song von Khalifa? Man sieht erst kurz das Meer. Dann eine Straße, die der Sänger alleine entlanggeht.

Lalalalaala lalalalalaa… "It’s been a long day without you my friend. And I’ll tell you all about it when I see you again. We’ve come a long way from where we began. Oh I’ll tell you all about it when I see you again."

"And what’s small turned to a friendship, a friendship turned to a bond. And that bond will never be broken, the love will never get lost. The love will never get lost." Amen.

Liebe Gemeinde,

wir wollen sie nicht haben, ja wir behaupten sogar oft, wir hätten keine. Und doch pflegen wir sie unaufhörlich. Es ist unangenehm zuzugeben, dass man welche hat. Aber sie sind menschlich und sogar notwendig.

Sie helfen uns Ordnung zu schaffen und sparen Zeit. Wo sie sind, werden wir sie kaum noch los. Ja, wir vererben sie sogar zum Teil. Aber das macht sie leider nicht weniger unfair!

Nein, es geht nicht um Läuse. Es geht um: Vorurteile. Oder im Wissenschaftssprech: um „Implizite Assoziationen“. Das klingt schon neutraler. Denn es gibt negative und positive Vorurteile, also sozusagen: Vorschusslorbeeren. Aber wer „Vorurteil“ sagt, verwendet das Wort fast immer negativ. Wir haben also auch dem Vorurteil gegenüber ein Vorurteil…

Falls jemand von Ihnen sich fragt: Habe ich aufgeklärter Mensch wirklich Vorurteile? Werde ich anderen manchmal nur aufgrund von haltlosen Vermutungen nicht gerecht? Immerhin denken 3% der Deutschen, sie hätten keine. 25% sind sich keiner bewusst. Dann empfehle ich auf der Website der Harvard Universität einen der Tests zu machen, die dort kostenfrei zu verschiedenen Themen angeboten werden. Es gibt auch eine deutsche Ausgabe. Einfach über eine Suchmaschine suchen.

Heftige Vorbehalte, und zwar negative, hatte nachweislich auch der Pharisäer Simon, und zwar gegenüber Frauen einer bestimmten Berufsgruppe. Und damit dürfte er bis heute nicht alleinstehen. Davon erzählt unser Predigttext, und er erzählt auch, wie Jesus darauf reagiert.

Ich lese aus dem Lukasevangelium, dem 7. Kapitel die Verse 36 bis 50.

36Es bat ihn aber einer der Pharisäer, mit ihm zu essen. Und er ging hinein in das Haus des Pharisäers und setzte sich zu Tisch.

 37Und siehe, eine Frau war in der Stadt, die war eine Sünderin. Als die vernahm, dass er zu Tisch saß im Haus des Pharisäers, brachte sie ein Alabastergefäß mit Salböl 38und trat von hinten zu seinen Füßen, weinte und fing an, seine Füße mit Tränen zu netzen und mit den Haaren ihres Hauptes zu trocknen, und küsste seine Füße und salbte sie mit dem Salböl.

39Da aber das der Pharisäer sah, der ihn eingeladen hatte, sprach er bei sich selbst und sagte: Wenn dieser ein Prophet wäre, so wüsste er, wer und was für eine Frau das ist, die ihn anrührt; denn sie ist eine Sünderin. 

40Jesus antwortete und sprach zu ihm: Simon, ich habe dir etwas zu sagen. Er aber sprach: Meister, sag es! 41Ein Gläubiger hatte zwei Schuldner. Einer war fünfhundert Silbergroschen schuldig, der andere fünfzig. 42Da sie aber nicht bezahlen konnten, schenkte er’s beiden. Wer von ihnen wird ihn mehr lieben? 43Simon antwortete und sprach: Ich denke, der, dem er mehr geschenkt hat.

Er aber sprach zu ihm: Du hast recht geurteilt.

44Und er wandte sich zu der Frau und sprach zu Simon: Siehst du diese Frau? Ich bin in dein Haus gekommen; du hast mir kein Wasser für meine Füße gegeben; diese aber hat meine Füße mit Tränen genetzt und mit ihren Haaren getrocknet. 45Du hast mir keinen Kuss gegeben; diese aber hat, seit ich hereingekommen bin, nicht abgelassen, meine Füße zu küssen. 46Du hast mein Haupt nicht mit Öl gesalbt; sie aber hat meine Füße mit Salböl gesalbt. 47Deshalb sage ich dir: Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel geliebt; wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig. 

48 Und er sprach zu ihr: Dir sind deine Sünden vergeben. 49Da fingen die an, die mit zu Tisch saßen, und sprachen bei sich selbst: Wer ist dieser, der auch Sünden vergibt? 

50Er aber sprach zu der Frau: Dein Glaube hat dir geholfen; geh hin in Frieden!

Eine „Sünderin“ nennt der Evangelist die Frau, die hier namenlos bleibt. Doch ist sie offensichtlich dem Gastgeber und den Gästen bekannt. Es handelt sich um eine Prostituierte, davon ist auszugehen, auch wenn sie hier nur „Sünderin“ genannt wird. Mehr erfahren wir von ihr nicht. Nichts über die Gründe, warum sie als solche arbeitet. Vielleicht die pure Not? Nichts über ihr sonstiges Leben.

Auch welche Vorurteile genau der Pharisäer Simon ihr gegenüber hat, wird nicht gesagt. Aber wir brauchen uns nicht über ihn zu erheben. Jedenfalls geht das hier für ihn gar nicht - das, was sie in seinem Haus tut: weinen, küssen und salben. Vermutlich auch schon nicht, dass sie es geschafft hat, überhaupt hereinzukommen. Hat man am Eingang gedacht, sie gehöre zum Personal?!

Jedenfalls stört sie Simon. Er hatte sich das Essen mit Jesus anders vorgestellt: Eine gepflegte Unterhaltung, ein bisschen theologische Provokation, tiefgehende Diskussionen mit dem Promi-Gast. Und bestimmt, dass ihm hinterher beim Abschied seine Gäste auf die Schulter klopfen und für den gelungenen Abend danken.

Warum auch nicht, da spricht ja nichts dagegen. Aber dann - kommt sie herein! Weint, küsst und salbt. Ganz unerwartet. Sie kommt von hinten, keiner sieht sie kommen, niemand kann es rechtzeitig verhindern.

Liebe Gemeinde, ich schätze, solche Störungen kennen Sie auch.

Sie haben z.B. eine Party geplant, alles sollte perfekt sein. Doch dann benimmt sich ein Gast total daneben. Also an die peinliche Rede einer Tante bei meiner Hochzeit erinnere ich mich bis heute…

Ihr freut Euch auf ein Treffen mit Freunden. Und dann ist da einer, der redet unaufhörlich nur von sich. Egal, welches neue Thema Ihr anschneidet, er schafft es sofort wieder, alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ich, ich, ich. Das nervt doch total.

Was tun? Wie gehen Sie und wie geht Ihr Jugendlichen mit solchen Störern, die einem alles kaputt machen, um?

Der Gastgeber in unserer Geschichte ärgert sich sehr. Und Simon denkt: „Wäre Jesus ein Prophet, dann wüsste er doch, was das für eine Frau ist und würde sie wegschicken.“ 

Nun, Jesus ist immerhin Prophet genug, um zu merken, was Simon gerade denkt. Er weiß sehr wohl, „was das für eine ist“:

Nämlich eine, die sich traut, inmitten der Männergesellschaft Jesus ihre Liebe unmittelbar und emotional zu zeigen. Überschwänglich, leidenschaftlich.
Eine Frau, der Jesus so viel wert ist, dass sie viel Geld für Salböl ausgegeben hat, um ihm etwas Gutes zu tun. Großzügig ist sie.
Eine Frau, die an ihn glaubt. Sie schenkt ihm ihr ganzes Vertrauen.

Und ja, dass sie eine „Sünderin“ ist, weiß er auch. Von dem gesellschaftlichen Urteil, dass Prostituierte Sünderinnen sind, ist auch er nicht frei. Was mich, ehrlich gesagt, irritiert. Aber er lebt in den Normen und Wertvorstellungen seiner Zeit. Und doch bricht er sie immer wieder auf und hinterfragt sie. Auch hier. Jesus sieht den Menschen jenseits aller Vorurteile. Und darauf kommt es an!

Ich kann mir vorstellen: Im nachhinein empört Simon wohl weniger das, was die Frau tut. Viel ärgerlicher ist das, was Jesus dann zu ihm sagt, zumal wenn andere es vielleicht mithören. Denn typisch Jesus: Er macht die Situation zu einem Lehrstück. Er will, dass Simon die Frau anders ansieht: jenseits ihres Gewerbes und jenseits einer Unterbrechung des gepflegten akademischen Austausches unter Männern.

Jesus lobt sie vor Simon. Er stellt sie, die Sünderin, über ihn, den rechtschaffenen Bürger und Hausherrn! Jesus sagt sinngemäß:

„Naja, Simon, eigentlich ist die Frau besser als Du! Sie hat mir die Füße gesalbt, während du mir nicht einmal Wasser zum Abwaschen des Staubes gegeben hast. Das täte man als guter Gastgeber durchaus. Sie küsst mir ständig die Füße, Du mich nicht einmal zur Begrüßung auf die Wange.“

Auf die Sündenbilanz kommt es Jesus nicht an. Ihm ist nicht der lieber, der weniger Schuld auf sich geladen hat. Er hält keinen Abstand zu der Frau, von der sich alle peinlich berührt abwenden. Er sieht sie, ihre Liebe und ihre Einsamkeit, ihr übervolles Herz und ihre Tränen. Was sie ihm sagt, ohne zu sprechen, indem sie weint, küsst und salbt.

Und dann erklärt er alle Urteile über sie für nichtig. Er spricht ihr Vergebung zu, wie nur er es kann. Damit richtet er sie auf, macht sie groß, stellt sie auf eine Stufe – nein, höher als alle Anwesenden. Holt sie in die Mitte der Gesellschaft. Denn sie ist nun keine Sünderin mehr. Sie ist nicht das, was alle von ihr denken. Sie ist eine ganz andere. Sie ist sie selbst. Er macht sie frei von allen Stigmata und aller Verachtung.

Denn sie hat geliebt. Verschwenderisch und ohne Kalkül.

Und so soll es Simon auch halten. Statt an seinen Vorurteilen festzuhalten. Statt sich über die Unterbrechung zu ärgern, nur an seinen Ruf zu denken. Gern wird er das nicht gehört haben.

Und ich, höre ich das gern? Lasse ich es mir von Jesus sagen?

Vor-Urteile mögen nötig und hilfreich sein, weil sie uns helfen, alle Eindrücke schnell in Schubladen zu sortieren. Aber Vor-urteile werden unserem Gegenüber nicht gerecht, ver-urteilen ihn oder sie meist zu Unrecht. Und wir verbauen uns auch viel. Was dagegen hilft? Genau hinzusehen, Wertschätzung. Unser Herz zu öffnen für die, die wir ausgrenzen. Nicht zu sagen: Lass mich in Frieden, sondern: Friede sei mit Dir!

Denn der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Ich lese den Predigttext. Vier Verse aus der Bergpredigt, die beim Evangelisten Matthäus im 6. Kapitel stehen:

Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten.

Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf dem Berge liegt, nicht verborgen sein.

Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind.

Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt.

Sagt Jesus Christus.

Er sagt es zu seinen Jüngern.

Wer heute an Jesus glaubt, ist auch seine Jüngerin, sein Jünger.

Darum gilt Ihnen und Euch:

Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt.

Das ist eine Feststellung, ein Zuspruch, auch eine Zumutung. Aber keine Option zur Auswahl.  

Naja, liebe Gemeinde, den Kirchenaustrittszahlen nach zu urteilen, scheint unsere Gemeinschaft der Jüngerinnen und Jünger Christi heute an Strahlkraft zu verlieren. Viele finden den Geschmack der Kirche fade und ihr Umgang mit Problemen bitter. Und überhaupt, wozu braucht man Kirche heute noch?

Sind wir noch Salz der Erde und Licht der Welt?

Ist es nicht vermessen, das zu behaupten?

Jesus sagt: Ja.

Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten.

Salz kann nicht schlecht werden und nicht aufhören, salzig zu sein. Es ist eine äußerst stabile mineralische Verbindung. Es hat kein Haltbarkeitsdatum. Was verderblich ist, ist allenfalls organisches Material, was den Salzkristallen anhaftet.

Wenn Jesus vom Salz spricht, das nicht mehr salzt und zu nichts mehr nütze ist, meint er das hypothetisch. Dann denkt er nicht an die Sachebene – das Salz. Das ist immer salzig. Er denkt vielmehr an die Bildebene: an die Menschen. Die können sich weigern, ihre Würzkraft einzusetzen.

Dabei ist Salz ein wertvoller und ein für uns Menschen, ja für die ganze Erde lebenswichtiger Stoff. Auch in kleinen Mengen!

Es braucht gar nicht viel, auf die Menge kommt es nicht an. Auch wenig Salz erfüllt schon seinen Zweck.

Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt.

Ich denke an die, die in kirchlichen Chören und Bands singen und spielen und die Gemeindebriefe layouten.

Ich denke an die, die bei Festen mitanpacken,

und die, die Gruppen leiten.

Ich denke an die jugendlichen Teamer

und an alle, die den Gemeindebrief austeilen.

Ich denke an diejenigen, die die Homepage aktuell halten und

an die, die mit Kaffee und Kuchen Menschen in der Kirche willkommen heißen.

Ich denke an die, die Leitungsverantwortung tragen

und diejenigen, die Kinderfrühstücke organisieren.

Ich denke an alle, die in dieser Gemeinde aktiv sind.

Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt.

Ich denke auch an diejenigen, die Kinder erziehen und sich um Familienangehörige kümmern. An die, die sich in Vereinen am Ort engagieren oder in den Kitas und Schulen. Ich denke an jede, die freundlich zu anderen ist und hilfsbereit. Die Interesse am Mitmenschen zeigt und nachsichtig ist. An alle, die Nächstenliebe üben in den verschiedensten Weisen. Als Jüngerinnen und Jünger Jesu Christi. Weil Jesus gesagt hat: Liebet Eure Nächsten wie Euch selbst.

Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt.

Ja, es sind teils kleine Dienste, nicht welt-bewegend. Und doch unverzichtbar! Was wäre unsere Gesellschaft ohne sie?

Salzkörner sind auch winzig, ein einzelnes ist kaum zu sehen. Doch schon eine Prise macht einen großen Unterschied.

Eine Prise – ich habe es nicht gezählt, aber ausgerechnet: das sind ca. 8.000 Salzkörner. 0,4g ist eine Prise, 50 Mikrogramm ein Salzkorn.

Wo viele sich engagieren und einander zugewandt leben, sieht die Welt anders aus, und Menschen finden Geschmack am Leben. 

Liebe Gemeinde, ich war im Urlaub. Ich hatte das Glück, abends den Sonnenuntergang vom Balkon unserer Ferienwohnung aus genießen zu können. Mit Blick auf einen See und Berge am anderen Ufer. Was sich an den Hängen befand, war nicht gut zu erkennen. Viel Wald, manches lag auch im Schatten verborgen. Der herrliche See zog meine Aufmerksamkeit auf sich.

Doch kaum war die Sonne weg, fing es auf dem Berg an mehreren Stellen an zu leuchten: In einzelnen Häusern gingen die Lichter an, so weit weg, so klein, ein einzelnes Licht kaum zu sehen. Doch es wurden immer mehr. Die Lichtpünktchen verbanden sich zu großen Lichterflecken und schafften es, bis zu unserem Ufer herüberzuleuchten. Kleine Städte wurden sichtbar.

So ist das mit den Lichtern: Wenn eitel Sonnenschein ist, sieht man es nicht. Manchmal ist unsere Küchenlampe an, aber wir merken es gar nicht. Doch wenn die Finsternis hereinbricht, scheint das Licht hell auf, wird wichtig. Gibt Orientierung. Ist leitend und tröstend. Dazu ist es ja da.

Es macht keinen Sinn, einen Eimer über die Kerze zu stülpen, sagt Jesus. Die Kerze soll doch Licht spenden und anderen helfen, sich im Haus zurechtzufinden.

Klar, denken wir. Logisch. Aber wir handeln nicht danach. Wir stellen tatsächlich unser Licht unter den Scheffel. So wie es die Redensart, die aus unserer Bibelstelle herrührt, sagt. Wir setzen unsere Gaben nicht für andere ein, aus falscher Bescheidenheit vielleicht, aus Bequemlichkeit womöglich.

Oft meinen wir, wir als einzelne und als kleine Gemeinschaft von Jünger und Jüngerinnen Christi könnten nichts ändern. Wir seien unbedeutend. Wir könnten es auch gleich sein lassen.

Dieser Tage mag angesichts der vielen Krisen in der Welt dieser Eindruck besonders groß sein. Dabei ist es umgekehrt: Gerade dann, gerade jetzt braucht es Hoffnungsmenschen, die ihr Licht leuchten lassen.

„Aber was kann ich als einzelne tun“, fragt sich manche. Sie können in Ihrem Umfeld viel tun. Und zusammen mit anderen kann man einen deutlich wahrnehmbaren Unterschied machen.

„Einen Unterschied machen“ oder „die Welt zu einem besseren Ort machen“, das ist eine Denk- und Ausdruckweise, die einem in den USA auf Schritt und Tritt begegnet: to make a difference, und: the world a better place. Das klingt nach Selbstüberschätzung.

Ich glaube aber, das ist gut biblisch: wahrzunehmen, dass jeder einzelne Mensch eine Berufung hat, eine von Gott gegebene Aufgabe. Jeder hat eine Bedeutung, jedes Leben einen Sinn.

Vor einigen Tagen hatte ich ein Gespräch mit einem Mann, der mir sagte: „Um mich herum halten mich alle für verrückt, dass ich Kirchenmitglied werden will. Ich sei doch ein cooler Typ, was ich denn in dem Verein wolle. Aber ich stehe dazu und vielleicht bringe ich den einen oder anderen dazu, seine Vorurteile über Kirche zu überdenken. Denn wer glaubt, der muss das auch zeigen.“

Und ich würde ergänzen: Es kommt in unserer Welt auf jede Christin und jeden einzelnen Christen an, so wie es in einem Essen auf jedes Körnchen Salz ankommt und auf dem Berg in der Stadt auf jedes Fünklein Licht.

Ihr seid…, sagt Jesus. Es braucht jede einzelne Person. Und als Gemeinschaft seid Ihr die Prise Salz und das Lichtermeer, das die Stadt auf dem Berg weithin sichtbar macht.

Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt.

Es ist noch nicht lange her, dass ich in Nürnberg auf dem Kirchentag war. Ich bin ein großer Kirchentagsfan. Ich empfand es als ungemein ermutigend, mit mehr als 8.000 anderen Christinnen und Christen die Abendgebete mit Kerze in der Hand auf dem Marktplatz abzuhalten, oder einer Podiumsdiskussion zu lauschen und mitzudiskutieren, wie Frieden heute möglich werden kann. Wir Jüngerinnen und Jünger sind viele, mehr als nur eine Prise voll. Und das tut gut zu wissen.

Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten.

Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf dem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind.  

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde, es war in meiner ersten Gemeinde, bei einem Trauerbesuch. Dem Herrn, den ich besuchte, liefen die Tränen über die Wange, als er von seiner verstorbenen Frau erzählte.
Seine Tochter war auch da. Sie sagte nichts. Manchmal gibt es keine Worte, die trösten können. Manchmal ist es besser zu schweigen.
Aber sie strich ihrem Vater mit einer sanften Handbewegung über sein Gesicht und wischte ihm die Tränen fort. Er weinte daraufhin noch mehr. Doch seine Tochter nahm ein Taschentuch und fing immer wieder mit zärtlicher Berührung seine Tränen auf. Und er ließ es geschehen. Und nach und nach wurde er ruhiger.

Mich berührte diese Geste so sehr, dass ich sie noch gut in Erinnerung habe.

Von dem, der unsere Tränen trocknet, handelt der biblische Text, der heute der Predigt zugrunde liegt. Ich lese aus dem letzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes, Kapitel 21, die Verse 1 bis 5:

Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde,

denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen,

und das Meer ist nicht mehr.

Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem,

von Gott aus dem Himmel herabkommen,

bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann.

Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her,

die sprach: „Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen.“

Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein,

und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein;

und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen,

und der Tod wird nicht mehr sein,

noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein;

denn das Erste ist vergangen.

Und der auf dem Thron saß, sprach: „Siehe, ich mache alles neu!“
Und er spricht: „Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss!“

Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen.

Das ist mein Lieblingssatz hier. Das ist meine Hoffnung. Dass Gott selbst uns tröstet. Ein schöner, zärtlicher Moment. Eine kleine Handbewegung nur, doch voller Fürsorge und Liebe.

– Aber, sie steht ja schon in einem seltsamen Kontrast zu den übrigen Bildern: Das ist von einem neuen Himmel und einer neuen Erde und einer neuen Stadt die Rede – das ist gleich richtig groß, darunter macht es Johannes nicht.

Siehe, ich mache alles neu, sagt Gott.

Nicht das Alte wird repariert, da entsteht etwas völlig Neues, Anderes.
Denn dass das Alte irgendwie wieder gut und heil und lebendig wird, das kann nicht sein, das weiß Johannes. Seine Welt, wie er sie kannte, war untergegangen, die gab es so nicht mehr. Damals, zu seiner Zeit, als die christlichen Gemeinden erstmals verfolgt wurden.

Bedroht, verfolgt, bestraft: Johannes wurde verbannt auf die Insel Patmos. Dort im Exil hatte er Visionen. In manchen Teilen seines Buches, der Offenbarung, sind es sehr merkwürdige Bilder, die ihm erscheinen, furchteinflößende. Er stand ja noch ganz unter dem Eindruck der erlebten Jagd auf die Glaubensgeschwister und der Ermordung unzähliger.

Doch Johannes war es gegeben weiter - oder tiefer - sehen zu können. Er schrieb auch Worte der Hoffnung für die, die in Bedrängnis waren, in Angst, in Verzweiflung. Sätze, die auch uns Hoffnung machen können. Die Bilder, die er dabei benutzt, malt er sozusagen nur in groben Pinselstrichen, deutet nur an, nimmt kaum Farbe.
Aber großformatige Bilder sind es!

Letztes Wochenende war ich in einem Museumsdepot. Dort gab es riesige Bilder, die in keinen Aufzug und durch keine normale Tür passen. Eins war 17 mal 3m.

Ein bisschen so kommen mir Johannes Bilder auch vor. Zu groß, um wahr zu sein. Bilder, die alles sprengen: unser Vorstellungsvermögen, unsere Möglichkeiten, sie in Worte zu fassen, die Wirklichkeit, die wir kennen. Er will uns Einblick geben in Gottes Zukunft für uns. In die Ewigkeit. In der alles ganz anders sein wird. Anders als alles, was wir uns denken können. Eine Welt, in der Christus regiert. Wo Gerechtigkeit und Frieden sich küssen.

Alles anders, neu, ganz neu. Aufregend neu. Schön. Wo Glücksgefühle uns durchströmen. Wie bei einer Hochzeit. Auch die Lesung für heute handelte schon von einem Hochzeitsfest. Wenn auch mit einem anderem Fokus.

Erinnern Sie sich noch an die Ihre, falls sie geheiratet haben? Stellen wir uns nicht auch deshalb Hochzeitsfotos auf, von uns als Braut und Bräutigam, um uns an die schöne Feier und das Glück der Anfangszeit zu erinnern?

So schön und froh und voller Liebe wird es sein, will uns Johannes mit seiner Vision sagen. Kein Tod, kein Leid, kein Geschrei und keine Schmerzen wird es dann mehr geben.
Denn das Erste ist vergangen. Siehe, ich mache alles neu.

Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen.

So mancher von Ihnen hat in den letzten Wochen und Monaten viele Tränen vergossen. Sie haben am Krankenbett geweint und am Sarg. Ganz im Verborgenen oder gemeinsam mit anderen. Leise oder laut.
Tränen um einen Menschen, der nun fehlt.
Vielleicht auch Tränen der Erleichterung, weil das unerträgliche Leiden endlich vorbei ist.
Tränen, weil es einfach so furchtbar weh tut, ohnmächtig daneben zu stehen und nichts tun zu können.
Tränen der Verzweiflung: Wie soll es weitergehen?
Tränen um versäumte Momente, um das, was nicht war und doch hätte sein können.
Es ist gut, wenn wir weinen können, liebe Gemeinde. Tränen machen, dass die Trauer nicht erstarrt. Tränen, die fließen, helfen, im Schmerz lebendig zu bleiben.

Und dann ist Gott da und sagt:
Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet. So erzählt es der Prophet Jesaja (Jes 66,13). Und er wischt unsere Tränen von unseren Wangen.

Ich frage mich, wie sich das wohl anfühlt, wenn Gott mir die Tränen abwischt? Wenn Gott mich in den Arm nähme, ganz behutsam und liebevoll. Ich stelle mir vor, er sähe mich an und sähe mir tief ins Herz. Er würde jede einzelne Träne auffangen. Nicht eine ginge verloren. Auch die ungeweinten Tränen kennt Gott, und die unterdrückten.
So zugewandt kann nur einer sein, der behutsam ist. Der mich kennt.
Der um meine Verletzlichkeit weiß. Der mir wirklich nahe ist.

Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, heißt es in unserem Predigttext. Gott richtet sich bei uns ein. In einer Hütte. Wörtlich steht da: in einem „Zelt“. Gott schlägt mitten unter uns sein Zelt auf.

Mit einem Zelt ist man beweglich. Gott geht uns nach, schlägt sein Zelt immer dort auf, wo wir sind. Das ist wirklich nah. Nur durch eine Zeltwand ist Gott von uns getrennt. Er schottet sich nicht ab. Er ist in Hör-, ja, Reichweite.

Gott kommt mir nah. Sieht meine Tränen. Trocknet sie, wie die Tochter die Tränen ihres Vaters auffängt. Geduldig und liebevoll. Liebe Gemeinde, das ist mir viel wert.

Und wenn ich wie Johannes auf meiner Insel sitze, verzweifelt, traurig und voller Angst, dann möchte ich am liebsten wie er weitersehen. Oder wenigstens weiterahnen. Dann möchte ich hineinglauben, mich und uns, in Gottes neue Wirklichkeit, die er für uns bereit hält: in den neuen Himmel und die neue Erde. Wo Gott wohnt. Wo es keinen Krieg und keine Gewalt mehr gibt. Keine Krankheit und auch der Tod nicht mehr sein wird, weder Leid noch Schreien noch Schmerzen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus unseren Herrn. Amen.

Liebe Gemeinde, heute fürchte ich mich nicht.

So oft hat Gott es den Engel in die Dunkelheit hineinrufen lassen.
Jahr für Jahr hören wir seine Worte:

„Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude,
die allem Volk widerfahren wird.“

Und ich höre auch das „Ja, aber“ und „von wegen Freude“ und „doch wohl kaum allem Volk auf dieser Erde“. „Bleiben wir doch mal realistisch...“ Ja, ich weiß auch, wie es ist. Krise über Krise, das kann einem schon Angst machen.

Aber heute höre ich auf den Engel - und nicht auf mich und nicht auf euch. Heute lasse ich nicht zu, dass die Engelsbotschaft in der Weite der Felder verklingt. Heute fange ich sie ein und halte sie fest, ganz fest bei mir, seine Botschaft. Heute fürchte ich mich nicht! Trotz allem. Ich habe keine Angst um mich, nicht um Sie und Euch und nicht um unsere Welt.

Um mich und die meisten hier muss man sich Gott sei dank auch nicht sorgen. Weil es uns vergleichsweise richtig gut geht.

Aber auch wenn wir nicht in Krieg und Elend leben: auch bei uns haben Menschen beängstigende Diagnosen bekommen, andere trauern um ihre lieben Verstorbenen, manche stehen vor den Scherben einer Beziehung oder sorgen sich um ihre Kinder oder ihre älter werdenden Eltern.

Ich fliehe nicht vor den schlechten Nachrichten. Ich finde es wichtig, hinzusehen und wahrzunehmen, mitzuleiden. Ich habe genauso wenig Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit wie alle anderen. Es ist nicht heile Welt! Aber - es ist der Heiland in der Welt.

Da war zum Beispiel diese fröhliche Stimme am Telefon, die gleich nach der Begrüßung freudestrahlend sagte: „Ihr Gebet hat geholfen.“ Es ist für mich diese eine gute Nachricht von beginnender Genesung, die es Weihnachten in mir werden lässt. Die Nachricht von einem Weihnachtsfest im Krankenzimmer nach vielen Tränen und Ängsten, von erleichterten Kindern und so vielen, die sich mit ihnen freuen. Babykleine gute Nachricht. Aber frag mal die, die es betrifft. Für die ist sie riesengroß.

Darum weiß ich: Es stimmt, was die Engel den Hirten gesagt haben.

Uns ist „große Freude“ „widerfahren“, denn uns „ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus der Herr, in der Stadt Davids“. „Und das habt zum Zeichen“, das und andere gute Nachrichten mehr. Sie alle haben diesen einen Grund.

Gewiss, es gibt noch immer genügend Gründe zur Sorge und zum Zweifeln gar zum Verzweifeln. Trotzdem, heute Nacht, heute fürchte ich mich nicht. Heute höre ich der Engel Botschaft, wie die Hirten sie gehört haben, damals auf dem Feld. Sie waren nicht misstrauisch, nicht gleichgültig, nicht ungläubig. Sie vertrauten dem Boten Gottes und beschlossen: „Lasst uns nun gehen gen Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist.“ Aktiv suchen sie nach dem Heil, das in die Welt gekommen ist.

Dabei hätten sie allen Grund gehabt, enttäuscht zu sein. Auf den Heiland, den Retter der Welt haben sie gewartet, auf Fanfaren und Armeen und einen siegreichen Aufstand. Stattdessen – ein Baby in einem Stall, was ein Witz. „Ja, aber“ hätten sie sagen können. Und „von wegen Freude“ und „doch wohl kaum allem Volk“. „Bleiben wir doch mal realistisch…“ Und überhaupt, was ist mit uns? Nichts an ihren Lebensumständen wurde besser für sie in dieser Nacht und nicht in der Nacht danach und auch die Jahre darauf nicht.

Und ich ahne ja nur, wie viele Menschen wie sie auf Veränderung hoffen, schon so lange, aber es ändert sich nichts. Vergebliches Hoffen auf Verbesserung der Lebensumstände oder Genesung, auf Liebe oder Anerkennung. Aber keine Engel kommen, keine Zeichen zu sehen.

Es ist diese Gleichzeitigkeit, die wohl ein Christenleben ausmacht.

Die Theologin und Autorin Christina Brudereck hat das einmal so formuliert. Sie werden das Zitat vom Gottesdienstbeginn darin wiederfinden:

 

Wir leben mit vielen Krisen.

Und trotzdem feiern wir.

Denn ja, auch die Weihnachtsgeschichte

begab sich zu einer Zeit,

als die Sehnsucht nach Frieden riesig groß war.

Nach Gerechtigkeit.

Ausgleich, Trost und Güte.

Damals erließ der erste römische Kaiser

einen Volkszählungssteuerbescheid.

 

Immer schon diese Gleichzeitigkeit.

Düster, Grausam-, Hoffnungslosigkeit.

Schnitt.

 

Plötzlich Sterne. Funken.

Lichter himmelweit.

Schnitt.

 

Ganz gemeines Leid.

Menschen auf der Flucht.

Nach Bethlehem. Ein Paar, zu zweit.

Schnitt.

 

Guter Hoffnung. Geburt.

Zu dritt. Ein Baby. Gott geweiht.

Schnitt.

 

Kein Platz. Gewalt. Kontrolle. Neid.

Schnitt.

 

Lauter Schnitte.

Und Verbundenheit – der krassen Gegensätze.

Himmel grüßt die Erde.

Wort wird wahrhaftig Mensch.

Mit Haut und Haaren.

Lungenflügeln, großem Herzen.

Ein Neugeborenes übernimmt.

Bruder Mensch aus Liebe.

Befreit. Seligkeit.

Nacht wird Weihnacht.

Dämmerung und früher Morgen.

Vom Stall zu Herden.

Und zu Trümmern.

Große Fragen und ein Lied

von Glanz und Gloria.

So viel Ungereimtes und alte Zeilen zum Geleit.

 

Wer weiß,

ob nicht der Schnee von gestern

morgen fällt?!

Wer weiß,

ob nicht mein Kinderglaube

das letzte Wort behält?!

Eva Zeller

 

Gleichzeitigkeit.

Immer schon.

Gegensätze, Widersprüche, Schnitte und Wunden.

Verbundenheit.

Große Krisen, Krieg,

Weltjahres-Dankbarkeit.

Wir traurig und bedrückt.

Dann wieder glücklich.

Mal verzweifelt.

Dann zuversichtlich.

Alles auf einmal.

Und alles angemessen.

 

Weihnachten wirkt manchmal

irgendwie unpassend.

Kommt aber vielleicht auch

gerade rechtzeitig.

Liebe Gemeinde, auch heute Nacht ist keine heile Welt. Doch der Heiland ist in der Welt. Darum „fürchtet euch nicht“, heute nicht. „Denn siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird, denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus.“

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Es begab sich aber zu der Zeit…. Vor über 2000 Jahren, so erzählt es das Lukasevangelium, da machte sich auf Josef aus Galiläa mit seiner Frau Maria, seinem vertrauten Weibe, die war schwanger.

Und als sie daselbst in Bethlehem waren, kam die Zeit, da sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.

Es begab sich aber zu der Zeit…. Vor über 3000 Jahren, so erzählt es das 2. Buch Mose, da ging hin ein Mann vom Hause Levi in Ägypten und nahm eine Tochter Levis zur Frau. Und sie ward schwanger und sie gebar einen Sohn und wickelte ihn in Windeln. Als sie sah, dass es ein feines Kind war, verbarg sie ihn drei Monate. Sie nahm ein Kästlein aus Rohr und verklebte es mit Erdharz und Pech und legte dort das Kind hinein. Dann setzte sie das Kästlein in das Schilf am Ufer des Nils.

< Denn sie durfte ihn nicht zuhause beherbergen. Der Pharao hatte geboten, alle Söhne, die geboren werden, zu töten. >

Aber die Schwester des Kleinen stand von ferne, um zu erfahren, wie es ihm ergehen würde.

Und die Tochter des Pharaos ging hinab und wollte baden im Nil, und ihre Dienerinnen gingen am Ufer hin und her. Und als sie das Kästlein im Schilf sah, sandte sie ihre Magd hin und ließ es holen. Und als sie es auftat, sah sie das Kindlein und siehe, das Knäblein weinte. Da jammerte es sie, und sie sprach: Es ist eins von den hebräischen Kindlein.

Da sprach seine Schwester zu der Tochter des Pharao: Soll ich hingehen und eine der hebräischen Frauen rufen, die da stillt, dass sie dir das Kindlein stille?

Die Tochter des Pharaos sprach zu ihr: Geh hin.

Das Mädchen ging hin und rief die Mutter des Kindes.

Da sprach die Tochter des Pharaos zu ihr: Nimm das Kindlein mit und stille es mir; ich will es dir lohnen.

Die Frau nahm das Kind und stillte es. Und als das Kind groß war, brachte sie es der Tochter des Pharaos, und es ward ihr Sohn und sie nannte ihn Mose; denn sie sprach: Ich habe ihn aus dem Wasser gezogen.

Herodes ließ in Bethlehem und in der ganzen Gegend alle Knaben töten, die zweijährig und darunter waren.

Doch ein Engel hatte Josef im Traum gewarnt. Und er hatte das Kindlein und seine Mutter mit sich genommen bei Nacht und war nach Ägypten entwichen, bis nach Herodes Tod.

In Ägypten spielt die Geschichte des Mose, der als Erwachsener Israel aus der Sklaverei führt. Die Geburtsgeschichte des Mose soll nach der Ordnung der Predigttexte am heutigen ersten Weihnachtstag gelesen werden. Als Parallelgeschichte zur Geburt Jesu.

Beides sind Retter, Mose und Jesus. Und bei beiden fängt die Bibel ganz vorne an, ihre Geschichten zu erzählen. Man hätte ja auch beim erwachsenen Mose und beim erwachsenen Jesus beginnen können, ohne den Anlauf über ihre Geburt.

Aber ich glaube, das hat seinen Sinn. Wir sollen sehen: Alles muss klein beginnen. Auch unser Leben hat wie das von Jesus und Mose mit der Geburt begonnen. Wir waren schutzlos und angewiesen auf die Fürsorge unserer Eltern oder anderer.

Wer Babys in der Familie hat, der weiß wieder, wie das ist: dieses totale Angewiesensein auf die Erwachsenen, die einen füttern und pflegen, geborgen halten und trösten. Am Anfang steht die Liebe ohne Wenn und Aber und das sich In-die-Arme-Werfen. Von Anfang an sind wir in Beziehung geworfen. Keiner sucht sich das aus oder tut etwas dafür. Aber ohne können wir nicht leben.

Hannah Arendt, die jüdische, deutsch-amerikanische Publizistin, spricht von der Gebürtlichkeit des Menschen. Sie rät, unser Menschsein vom Anfang des Lebens her zu verstehen, nicht von unserer Sterblichkeit und unserem Tod. Also so wie Lukas Jesu Menschsein von der Weihnachtsgeschichte her sieht.

Wir feiern nicht, dass Gott in Jesus die Welt verändert hat. Dazu hätte es nur die Geschichten vom erwachsenen Jesus gebraucht. Sondern wir feiern zuallererst, dass Gott in Jesus zur Welt gekommen ist. Hineingeboren in widrige Umstände.

Auch bei Mose waren es denkbar schlechte Vorzeichen, unter denen er geboren wurde. Bedrohung und Ungewissheit umgaben ihn von Anfang an.

Und wenn ich heute an widrige Umstände und Bedrohungen denke, dann fällt mir im Blick auf das zu Ende gehende Jahr eine Menge dazu ein. Aber das geht Ihnen bestimmt genauso. Ich muss das gar nicht aufzählen. Was war und uns beschäftigt hat und was weitergeht, das schwingt in unseren Gedanken und in unseren Gefühlen immer mit.

Die Dunkelheit, in der Jesus zur Welt kam, die schaukelnden Wasser, auf denen der kleine Mose seinem Schicksal entgegentreibt, all das prägt weiter unsere Welt, unser Leben.

Aber dieses Jahr Weihnachten feiere ich zweierlei:

Erstens feiere ich das Leben. Jesu Geburt und die Geburt jedes Kindes auf dieser Welt feiere ich und das Geschenk des eigenen Lebens. Ich freue mich, dass ich leben darf. Ganz unverdient. Ich bin dankbar für jeden Atemzug und jede Bewegung, für meine Beziehungen und für die Liebe. Alles kostbare Geschenke.

Und das beinhaltet zugleich die Aufgabe, Sorge für andere zu tragen. Teil eines tragenden und Halt gebenden Netzes für andere zu sein.

Zweitens feiere ich, dass Gott immer wieder neu mit seinen Menschen beginnt. Unter den widrigsten Umständen schenkt er Neuanfänge. Und wer weiß, vielleicht sind bereits in den Krisen dieser Welt Anfänge gesetzt zu rettenden Veränderungen. Ich gebe die Hoffnung darauf nicht auf und traue Gott zu, dass er weiterhin rettet.

Liebe Gemeinde, Geburtsgeschichten sind Hoffnungsgeschichten. Wenn Sie selbst Kinder haben oder kleinere Geschwister, Neffen und Nichten oder Patenkinder: Erinnern Sie sich an deren Geburt? Das Überwältigt-Sein vom Wunder neuen Lebens? Die Hoffnung, was nun alles werden würde? Und die Freude auf den gemeinsamen weiteren Weg?

Diese Dankbarkeit und Freude und Hoffnung, die nehme ich mit. Gott schenkt einen Neuanfang. Er fängt immer wieder neu mit mir an. Ja, nicht nur an Weihnachten, insofern ist Weihnachten jeden Tag. Aber in diesen drei Tagen nehmen wir uns Zeit: pflegen unsere Beziehungen zu unseren Liebsten und machen uns auf, die Geschichte zu sehen, die da geschehen ist. Und preisen und loben Gott für alles, was wir gesehen und gehört haben, wie denn zu uns gesagt war.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Endlich, liebe Gemeinde, bleibt es länger hell. Inzwischen kann man auch um 16 Uhr noch rausgehen zum Spazierengehen, ohne sofort in die Dämmerung hineinzulaufen. Es wird heller.

 

Von Licht, genauer vom Erscheinen Gottes in einem Feuer, einem brennenden Dornbusch erzählt der alttestamentliche Lesungstext für heute. Wir haben ihn gehört.

 

Vom Licht aus der Dunkelheit handelt der Predigttext für heute, den ich nachher lesen werden.

 

Licht ins Dunkel, liebe Gemeinde, brachte die am Donnerstagmittag veröffentlichte ForuM-Studie. Sie beschäftigt mich sehr, und vielleicht geht es Ihnen ähnlich. Die Studie führt uns in die finsteren Abgründe menschlichen Leidens und schrecklicher Verbrechen in unserer Kirche. Denn sie zeigt, dass es in der evangelischen Kirche in Deutschland in den vergangenen 80 Jahren erschreckend viele Fälle sexualisierter Gewalt gegeben hat. Nicht weniger als in der katholischen Kirche.

 

Überrascht haben mich die Zahlen und Hochrechnungen nicht. Aber entsetzt und wütend gemacht. Es ist gut, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Sie muss uns demütig machen. Und sie spornt mich an, dass wir in unserer Gemeinde alles dafür tun, dass unsere Räume sichere Räume sind für alle. Wir kommen auf dieses Thema im Laufe des Gottesdienstes später noch einmal zurück.

 

Auch am Donnerstag, abends, war ich bei einer Lesung. Der Radiomoderator und Musiker Eckert Stieg aus Hannover hat aus seinem Leben erzählt. Es war lange überschattet von seinem Alkoholismus und dem Tod naher Menschen: erst seiner Freundin, dann seiner Ehefrau und seiner Eltern. Schonungslos und offen hat er sich schließlich seiner Sucht, seinem Scheitern und seiner Trauer gestellt. Das hat mich sehr beeindruckt.

 

Was er erlebt hat, mag extrem sein. Aber ein paar Stufen herunter gedreht wird es auch anderen bekannt vorkommen. Ich habe vor diesem Hintergrund den Bibeltext für die heutige Predigt nochmal ganz anders gelesen.

 

Am heutigen Sonntag sind Verse aus dem 2. Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Korinth dran, Kapitel 4, 6 bis 10. Ich lese aus der Übersetzung der Guten Nachricht Bibel:

 

Gott hat einst gesagt: »Licht strahle auf aus der Dunkelheit!«

So hat er auch sein Licht in meinem Herzen aufleuchten lassen

und mich zur Erkenntnis seiner Herrlichkeit geführt,

der Herrlichkeit Gottes, wie sie aufgestrahlt ist in Jesus Christus.

Ich trage diesen Schatz in mir als einem ganz gewöhnlichen,

sehr zerbrechlichen Gefäß. Denn es soll deutlich sichtbar sein,

dass das Übermaß an Kraft, mit dem ich wirke, von Gott kommt

und nicht aus mir selbst.

Ich bin von allen Seiten bedrängt, aber ich werde nicht erdrückt.

Ich weiß oft nicht mehr weiter, aber ich verzweifle nicht.

Ich werde verfolgt, aber Gott lässt mich nicht im Stich.

Ich werde niedergeworfen, aber ich komme immer wieder hoch.

Ich erleide fortwährend das Sterben, das Jesus durchlitten hat,

an meinem eigenen Leib. Aber das geschieht, damit auch das Leben,

zu dem Jesus auferweckt worden ist, an mir sichtbar wird.

 

Liebe Gemeinde, viele, viele, viele machen genau diese Erfahrungen: von allen Seiten bedrängt zu sein, nicht mehr weiter zu wissen, ja: auch verfolgt zu werden, zu Boden geworfen. Aus den unterschiedlichsten Gründen.

Und manche dürfen dann auch ein „Aber“ erfahren: aber ich werde nicht erdrückt, aber ich verzweifle nicht, aber ich komme wieder hoch: denn Gott lässt mich nicht im Stich! Wenn das geschieht, wird Gottes Kraft sichtbar und spürbar. Dann weicht das Dunkle, es wird heller in unserem Leben.  

 

Der Bibeltext spricht von uns Menschen als ganz gewöhnlichen, zerbrechlichen Gefäßen. Ich sehe da gleich einen Krug vor mir, aus Ton oder Steingut. Beige mit Henkel, praktisch, schön geformt. Lasiert, damit er wasserdicht ist. Aber nichts Besonderes, so von außen jedenfalls. Hinzu kommt auch noch, dass er etwas angeschlagen ist. Schaut man genau hin, sieht man Macken und feine Risse. Vielleicht sehen Sie ein ganz anderes Gefäß vor Ihrem inneren Auge...

 

Eine Freundin hat mich auf den Jugendroman „Margos Spuren“ von John Green aufmerksam gemacht. Er ist 2008 erschienen und erhielt drei Jahre später den Deutschen Literaturpreis, verfilmt wurde er auch, 2015. Darin heißt es an einer Stelle:

„Vielleicht ist es mehr so, wie du vorhergesagt hast, dass wir Risse bekommen. Am Anfang sind wir alle wasserdicht, aber dann passieren Dinge: Leute verlassen uns, lieben uns nicht oder verstehen uns nicht, oder wir verstehen sie nicht, und wir verlieren und scheitern und tun einander weh. Und so bekommen wir Risse. (…)

Und vielleicht ist gerade das die Zeit, in der wir einander sehen können und durch die Risse der anderen in sie hinein.

Wann haben wir uns das erste Mal richtig wahrgenommen? Als du durch meine Risse gesehen hast und ich durch deine. Davor haben wir nur die Bilder angesehen, die wir voneinander hatten. Erst wenn wir Risse haben, kommt das Licht herein. Und das Licht kann heraus.”

 

Und ich glaube, genau das meint unser Bibeltext. Etwas geschieht, widerfährt uns. Wir scheitern, tun einander, tun uns selbst weh. Wir bekommen Risse - unser Bild nach außen, unser Bild von uns selbst. Und wir stellen fest: Ich bin nicht gefeit, ich bin verwundbar, zerbrechlich, sterblich. Jeder Riss erinnert daran, so haarfein er auch sein mag.

 

Gott weiß darum und sieht es, hat uns ja nicht aus Stahl oder Plastik gemacht, sondern irdene Gefäße hat Gott geschaffen, quasi aus Erde, also Blut, Muskeln, Gewebe – keine Ahnung. In Bio war ich nie so gut. Wir sind darauf angelegt, Risse zu bekommen. Keine ist ohne. Und das soll so sein.

 

Bloß: wie damit leben, mit den eigenen Rissen und den, der anderen?

 

Eckert Stieg hat außerdem von einem Freund erzählt. Es war der einzige, der sich traute, ihm von Anfang an die Wahrheit zu sagen, als seine Alkoholsucht sichtbar und seine Arbeit immer schlechter wurde. Und es war der einzige, zu dem er während des Entzuges und später noch Kontakt hielt und dessen Freundschaft ihm blieb. Der hatte den Mut hinzuschauen. Und der hat offensichtlich mehr gesehen, als nur das Kaputte, Unschöne.

 

Ich finde den Gedanken so tröstlich, liebe Gemeinde, und ungemein bestärkend: Dass Gott ihr oder sein Licht in mir aufleuchten lässt.

Gott schenkt mir einen Schatz, und statt den in eine richtige Schatztruhe zu legen oder einen wehrhaften Tresor, legt Gott den Schatz in ein ganz gewöhnliches und sehr zerbrechliches Gefäß mit deutlichen Rissen.

Ja, durch diese kann das Licht erst in den Menschen hineinkommen.

Und nur so wird Gottes Herrlichkeit sichtbar. Durch die Risse und Löcher, die wir so haben, hindurch. In einer Schatzkiste würde es niemand sehen. Es braucht sie wohl, unsere Macken, das Unperfekte.

 

So wie damals in Bethlehem im Stall, wo Gottes Herrlichkeit durch die Bohlen des grob gezimmerten Bretterverschlages hinausleuchtete. Wer hätte sie in einem Futtertrog, einer Krippe vermutet?  

So ist Gottes Licht in uns sichtbar. Gebrochen fällt es durch unsere Risse und Lücken, bescheint auch das Hässliche und Kaputte. Es ist Gottes Kraft und Geist, die in mir das Gute vollbringen und mich strahlen lassen. Ich sehe es als ein unverdientes Geschenk.

 

Angesichts des sehr musikalischen Gottesdienstes ist es, denke ich, angemessen, mit einem Zitat aus einem Lied die Predigt zu beenden, nämlich aus dem Song “Anthem” von Leonard Cohen. Der Refrain lautet:

Ring the bells that still can ring.
Forget your perfect offering.
There is a crack, a crack in everything.
That's how the light gets in.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

 

Ich lese den Predigttext Matthäus 4,1-11:

1 Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde. 2 Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. 3 Und der Versucher trat herzu und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden. 4 Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben: »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.«

5 Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels 6 und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben: »Er wird seinen Engeln für dich Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.« 7 Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.«

8 Wiederum führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit 9 und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. 10 Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben: »Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.«

11 Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel herzu und dienten ihm.

 

Ich habe es versucht
nicht mehr so viel zu konsumieren, mir es zu versagen noch etwas zu kaufen, was ich eigentlich nicht notwendig brauche. Um die Umwelt und Ressourcen zu schonen. Ich ermahne mich, dass anderes wichtiger ist als Konsum. Man könnte den ganzen Tag nur mit schönen Beschäftigungen verbringen und sich mit Materiellem ablenken. Doch „der Mensch lebt nicht vom Brot allein“, und auch nicht von Netflix und shoppen, Essen gehen und reisen, so schön das alles ist. Sondern er lebt letztlich vom Wort Gottes, das schon mal stört und vor allem stärkt, den Blick auf meinen Nächsten und über das (eigene) Leben hinaus lenkt.

Ich habe es versucht
zu vertrauen, mir selbst und anderen und Gott. Manchmal geht das recht gut und manchmal scheitere ich. Wie schaffe ich es, mehr auf Gott zu vertrauen? Oft sind Gottes tragenden Hände so wenig spürbar und keine Engel in Sicht. 

Ich habe es versucht
nicht alles unter Kontrolle haben zu wollen. Und mich nicht selbst zu überschätzen, zu meinen, ich sei meines eigenen Glückes Schmied. Nein, weder ich selbst noch irgendjemand anderes hat die Macht über Leben und Tod. Mein Leben ist ganz in Gottes Hand, Gott hat das letzte Wort. 

Ich habe es versucht. Und ich bin immer wieder versucht, es zu vergessen: dass der Mensch nicht vom Brot allein lebt. Dass ich Gott bedingungslos vertrauen kann. Dass Gott unser Leben in seiner Hand behält.

Die Geschichte über Jesu Versuchung, liebe Gemeinde, erinnert mich an all das. Und Jesus musste sich Ähnliches wohl auch bewusst machen. Gott selbst, sein Geist führt ihn in die Wüste. Mit Gottes Geist ausgestattet kann er aber dem Versucher widerstehen.

Das Substantiv „Versuchung“, liebe Gemeinde, kommt vom Verb „versuchen“. Wenn mich etwas zu verführen versucht, führt es mich in Versuchung.

Am Mittwoch hat die Fastenzeit begonnen. Wenn wir fasten, dann setzen wir uns bewusst einer – relativ kleinen - Versuchung aus. (Fastet jemand hier irgendetwas?) Ich versuche jetzt 40 Tage auf Schokolade zu verzichten.

Sollten Sie mich aber beim Kirchenkaffee gleich „erwischen“, wie ich einen Schokokuss esse, liegt das daran, dass der Sonntag immer vom Fasten ausgenommen ist: Sonst wären es ja von Aschermittwoch bis Ostern auch keine 40 Tage, sondern 46.

Bei Jesus gab es keine Ausnahmen, keine Pausen, kein bloßes Versuchen. Auch wenn ihm Zweifel nicht fremd waren. Seine Entscheidung gegen die Versuchungen des Teufels waren eindeutig und klar.  

Dabei muss das schon wirklich verlockend gewesen sein, was ihm der Versucher angeboten hat. Tibi dabo, sagt der Teufel, wenn man es in der lateinischen Bibel liest, und zeigt ihm von einem Berg gleich mehrere Länder und ihre herrlichen Bauten und Straßen. Ein überwältigender Anblick muss das gewesen sein.

So schön, dass man in Barcelona den Berg vor der Stadt so genannt hat: Tibidabo. Von dort hat man wohl einen herrlichen Blick auf die Stadt mit ihren Herrlichkeiten. 

Eine wirkliche Versuchung im christlichen Sinne ist die Verlockung zu sündigen: also unsere Beziehung zu Gott aufs Spiel zu setzen, unseren Glauben in die Tonne zu treten und Gottes Gebote für unwichtig zu erklären.

Schon ganz zu Beginn der Bibel, kaum ist der Mensch erschaffen, geht es los mit der Versuchung, so menschlich ist sie. Quasi von Anfang an ist unsere Schwäche sich verführen zu lassen mit eingebaut, steckt in den Genen. Von Adam und Eva, die aus dem Paradies fliegen, haben wir gehört.

So ernst und gravierend ist das Thema, dass wir in jedem Vaterunser beten: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.“

Von Anfang an kannten die Menschen diese Gefahr. Gerade in Krisenzeiten ist sie natürlich groß.

Jesus war in der Wüste: ein Sinnbild für lebensfeindliches Land, für Gefahr, für Durststrecken. Es ist es eine Krisenzeit für ihn, eine Zeit der Versuchungen, in der ihm der Teufel nah ist.

Gott wird nicht erwähnt. Nur am Anfang als Geistkraft und am Ende in Form seiner Boten, der Engel, die an des Teufels Stelle treten. Aber vielleicht ist Gott dennoch die ganze Zeit da, in seinem Geist, als Kraft? Hilft widerstehen und auszuhalten.

Kennen wir das nicht auch? Da muss man eine Krisen-, eine Wüstenzeit aushalten. Ganz für einen anderen da sein beispielsweise, dem es schlecht geht. Oder sich auf eine Prüfung vorbereiten und alles andere beiseite schieben. Oder einen Menschen ertragen und an einer Beziehung festhalten, die unerträglich geworden ist. Oder eine weitreichende Entscheidung treffen, verteidigen und durchhalten.

Und manchmal wünschte man, es wären nur 40 Tage. Aber es dauert viel länger.

So vieles stellt sich da einem in den Weg. So vieles, wogegen man machtlos ist. Man kann es „Teufel“ nennen, dann haben Sie das Hindernis ausgelagert. Erklären Sie es sich psychologisch, dann ist es das Eigene, das einem im Weg steht: z.B. die vorhin erwähnte Gefahr, sich im Oberflächlichen zu verlieren und vorm Wesentlichen zu fliehen. Oder die Frage nach dem Vertrauen. Oder die Sache mit der Macht: was kann ich in meinem Leben kontrollieren, was habe ich in der Hand – was nicht? 

In Krisen- oder Wüstenzeiten bin ich versucht, das Handtuch zu werfen. Mich von Gott abzuwenden, ihn zum Teufel zu jagen. Dann wünsche ich mir Wunder herbei, die Steine zu Brot werden lassen. Dann möchte ich mich einfach fallen lassen und hoffe, dass mich jemand auffängt. Und Macht möchte ich haben, wieder Macht über mein eigenes Leben, manchmal auch noch über das anderer.

Der Teufel hätte mit mir wahrscheinlich leichtes Spiel gehabt, damals in der Wüste. Oder Gott hätte mir ebenso Geistkraft geschenkt zu widerstehen – und hätte mir geholfen, das Wichtige im Blick zu halten, das, worauf es ankommt, Vertrauen zu wagen und demütig zu sein, statt meine Macht zu überschätzen. Manchmal lernt man das gerade in solchen Wüstenzeiten.

Paulus kannte das auch. Er macht den Christinnen und Christen in Korinth und heute auch uns Mut, wenn er schreibt: „Gott ist treu, der euch nicht versuchen lässt über eure Kraft, sondern macht, dass die Versuchung so ein Ende nimmt, dass ihr`s ertragen könnt.“

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Liebe Gemeinde, im Pfarrhaus muss eine Wand saniert werden. Donnerstag und Freitag sind Männer in Arbeitskleidung morgens zu uns gekommen und haben ihre Arbeit verrichtet. Dabei war jeden Morgen vor unserer Haustür dasselbe Ritual zu beobachten: Noch an ihren Fahrzeugen bewaffneten sich die Männer mit ihrem Werkzeug: Ihre Arbeitshosen und Jacken haben zahlreiche Taschen, in denen unglaublich viel verstaut werden kann. Und auch am Gürtel lässt sich noch manches befestigen. Gut ausgerüstet schritten sie dann zur Tat.

Gut gerüstet sollen auch wir uns aufmachen, sagt der Verfasser des ersten Petrusbriefes. Ich lese aus dem für heute vorgegebenen Text, 1. Petrus 1, die Verse 13 bis 17:

13 Darum umgürtet eure Lenden = Macht euch bereit. Und gebraucht euren Verstand. Bewahrt einen klaren Kopf. Setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch zuteilwird, wenn Jesus Christus wieder erscheint. 14 Ihr seid doch gehorsame Kinder (Gottes). Lasst euch nicht von Begierden beherrschen wie früher, als ihr noch unwissend wart.

15 Ihr sollt in eurer ganzen Lebensführung heilig werden – so wie der heilig ist, der euch berufen hat. 16 Denn es steht geschrieben: »Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.« 17 Ihr betet doch zu Gott als eurem Vater. Er beurteilt jeden nach seinem Tun, ohne Ansehen der Person.  Führt deshalb ein Leben in Ehrfurcht vor Gott, solange ihr hier noch in der Fremde seid.  

„Umgürtet eure Lenden = Macht euch bereit.“ Das klingt nach Aufbruch. Jetzt aber! Los geht‘s! Schuhe an und noch schnell in die Taschen gesteckt, was man so unterwegs braucht.

Es klingt im Ersten Petrusbrief nicht von ungefähr DER große Aufbruch an: der Auszug Israels aus Ägypten. Auch da sollen „die Lenden gegürtet“ sein - und Schuhe an, Stab in die Hand und vorher noch schnell etwas essen. So die Anweisung im 2. Buch Mose Kapitel 12. Wobei „Auszug“ nett klingt, so nach Umzug. Aber es war eine Flucht, Hals über Kopf und in der Nacht.

Uns bereit machen und aufbrechen, das gilt auch uns, sagt der Petrusbrief, das ist das Verbindende. Er meint: Aufbrechen in die Nachfolge Jesu Christi.

Das ist auch nicht immer leicht und angenehm. Wer sich heute noch als Christin und Kirchenmitglied outet, wird von vielen schief angesehen oder verspottet. Doch unterdrückt oder verfolgt werden wir hier und heute nun Gott sei Dank wahrlich nicht. Anders als noch die ersten Adressaten der Petrusbriefe. Sie lebten in einem ihnen wirklich feindlich gesinnten Umfeld.

Dennoch, „umgürtet eure Lenden“. Wir sollen uns bereit und auf den Weg machen. Und es braucht gar nicht viel, was wir in die Taschen und in den Gürtel stecken müssten: Nur unseren Verstand sollen wir gebrauchen und einen klaren Kopf bewahren. All unsere Hoffnung sollen wir auf die Gnade Gottes setzen. Denn genau das, unsere Hoffnung, die wir auf Jesus Christus setzen, macht uns als Christinnen und Christen aus!

Vor drei Wochen habe ich mit einem Ausschuss der Landessynode das evangelische Hilfswerk „Brot für die Welt“ in Berlin besuchen können. Wir hatten das Glück, die Direktorin Dr. Dagmar Pruin zu einem Gespräch treffen zu können. Ich war sehr beeindruckt, wie klar sie das christliche Profil von „Brot für die Welt“ ins Gespräch mit der Politik einbringt. „Wir tun unser Werk aus einer Perspektive der Hoffnung heraus“, hat sie gesagt, „wir sind unbeirrbare Hoffnungsträgerinnen“. Das macht den Unterschied.

Bei all dem Druck, unter dem die Direktorin des Hilfswerkes gerade jetzt steht, sind ein messerscharfer Verstand und ein kühler Kopf sehr vonnöten. Gott sei Dank hat sie beides!

Und wenn jemand in den Ministerien der Meinung ist, Entwicklungshilfe interessiere doch die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr, dann kann Brot für die Welt mit dem Hinweis auf kirchliche Kollekten und Spenden wirksam darauf hinweisen, dass das nicht stimmt. Als Kirchengemeinden bis hin zu den Landeskirchen tragen wir „Brot für die Welt“ und die „Diakonie Katastrophenhilfe“. Sie bilden zusammen mit der Diakonie Deutschland das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung. Das zeigt, dass wir die Hoffnung auf eine gerechtere Welt nicht aufgegeben haben. Wir tragen sie weiter.

Liebe Gemeinde, nicht nur spenden, sondern in unserer ganzen Lebensführung heilig sein sollen wir. „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig“, sagt Gott.

Wir können zwar nicht Gott gleich sein. Wir können uns auch mit unserem Tun nie selbst retten. Aber Christus nacheifern, ihn zu unserem Vorbild und Gottes Willen zu unserer Richtschnur des Handelns machen - das können wir. Das ist Nachfolge. Das ist „heilig genug“. Denn „heilig“ heißt nicht „perfekt“ sein, sondern zu Gott gehörig sein, auf ihn zu vertrauen. Heilig ist, wer sich mit Hoffnung „umgürten“ lässt, Hoffnung auf eine gerechtere Welt und auf das ewige Leben.  

So gut ausgestattet können wir losgehen. Wir werden weniger, wir werden kleiner. Aber wir haben dennoch den Spielraum etwas zu bewegen und zu gestalten. Und sei es im Kleinen.

Ausgerüstet mit Vertrauen in Jesus Christus lässt sich so manche Mauer sanieren, ja sogar neu bauen. Als Mitarbeitende Gottes. Das Fundament, auf dem wir bauen, ist Jesus Christus. Hier zitiere ich wieder mal wie so oft den 1. Korintherbrief. „Ein jeder aber sehe zu, wie er, wie sie darauf baue.“ Auf jeden Fall frohgemut und zuversichtlich, das steht uns gut an.

Ich schließe mit einem Ausschnitt eines Textes von Hanns Dieter Hüsch. Er wünscht sich, dass jede von uns an ihrer Hoffnung und an der Freude an dieser Hoffnung erkennbar sei:

Gott „möge uns auf Wege führen,

die wir bisher nicht betreten haben,

aus Angst und Unwissenheit darüber

dass der Herr uns nämlich aufrechten Ganges

fröhlich sehen will.

Weil wir es dürfen.

Und nicht nur dürfen, sondern auch müssen.

Wir müssen endlich anfangen,

das Zaghafte und Unterwürfige abzuschütteln.

Denn wir sind Kinder Gottes: Gottes Kinder!

Und jeder soll es sehen und ganz erstaunt sein,

dass Gottes Kinder so fröhlich sein können.

Und sagen: Donnerwetter!

Jeder soll es sehen und jeder soll nach Hause laufen

und sagen, er habe Gottes Kinder gesehen,

und die seien ungebrochen freundlich

und heiter gewesen,

weil die Zukunft Jesus heiße,

und weil die Liebe alles überwindet,

und weil Himmel und Erde eins wären,

und Leben und Tod sich vermählen,

und der Mensch ein neuer Mensch werde

durch Jesus Christus.

Gnade sei mit Euch und Frieden von Gott, unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Kommt, es ist alles bereit

Wenn bei uns zu Abend gegessen wird, dann ruft diejenige, die gekocht hat, durchs Haus: „Bitte Essen kommen.“ Oder „Abendessen ist fertig.“ Oder auch einfach nur ungeduldig: „Essen.“

Als Kind war ich oft bei meiner besten Freundin in der Nachbarschaft. Die hatten einen Gong, der sie zu jeder Mahlzeit läutete. Das fand ich sehr besonders.

Ich frage mich, wie das wohl damals war, als Jesus und seine Jünger sich in Jerusalem zum Passahmahl hinsetzten. Zwei von ihnen, Petrus und Johannes, hatten den Raum vorbereitet und für das Essen gesorgt.

Ich stelle mir vor, dass Jesus dann zum Hinsetzen eingeladen hat. Vielleicht mit einem schlichten: „Kommt, es ist alles bereit. Sehet und schmecket wie freundlich“ - Gott zu uns ist durch seine Gaben.

Und dann hat er auf jeden Fall ein Dankgebet gesprochen, davon erzählt die Bibel.

Familientreffpunkt

Bald, liebe Gemeinde, ist es endlich wieder wärmer draußen. Ich freue mich auf meine Abendtouren mit dem Rad über die Dörfer rund um Nienburg herum. An eine Tour im späten Herbst letzten Jahres erinnere ich mich. Auf dem Rückweg war es 7 Uhr geworden. Es begann schon dunkel zu werden. In den Häusern waren die Lichter an. Ich konnte im Vorbeifahren in mehrere Esszimmer und Küchen sehen. Paare und Familien saßen am Tisch beim Abendessen.

Ich finde das eine schöne Tradition, sich abends gemeinsam um einen Tisch zu versammeln und miteinander zu essen und vom Tag zu erzählen. Für mich persönlich ist das ein Ritual, das mir wichtig ist. Denn in einer Familie mit schon großen Kindern bekommt man einander über den Tag kaum noch zu Gesicht. Aber wem erzähle ich das?

Alle an einen Tisch

Regelmäßig gemeinsam an einem Tisch zu sitzen und miteinander zu reden, ist so unendlich wichtig. Sei es, um sich gegenseitig mal in Ruhe zuzuhören und sich dann besser zu verstehen. Sei es, um Missverständnisse rechtzeitig aus dem Weg räumen zu können oder um Vereinbarungen für ein gutes Miteinander zu treffen.

Vorgestern und gestern saßen sie auch alle an einem Tisch und haben miteinander geredet. Nicht die 12 wie bei und mit Jesus, sondern nur 7. Naja, jedenfalls heißt die Runde G7. Aber ich schätze mal, wenn die Außenminister der sieben wichtigsten Industriestaaten sich treffen, dann sitzen auch noch weitere Personen mit am Tisch, im wahrsten Sinne des Wortes. Beraterinnen, Dolmetscher, weitere Fachleute, was weiß ich.

Über die himmelschreiende Not im Gaza und den furchtbaren Krieg in der Ukraine haben sie beraten. Und diese Tischrunden machen mir Hoffnung, dass es irgendwann Frieden geben wird und ein Ende der Not. Dass Regierungschefs miteinander reden und vereint nach Lösungen suchen.

Runder Tisch

Auch im Kleinen sind „Runde Tische“ gut. Also Treffen von ganz verschiedenen Personen. In Nienburg gibt es wie in vielen anderen Städten den „Runden Tisch gegen Rassismus und rechte Gewalt“. An dem sitzen Vertreterinnen von Vereinen und Institutionen, aber auch Privatpersonen, die z.T. sonst nicht viel miteinander zu tun haben. Aber sie eint, dass ihnen dieses eine Thema wichtig ist. Und sie wollen gemeinsam etwas tun und stellen etwas auf die Beine.

So ähnlich war es auch bei Jesus. Die Leute, die sich als seine Anhänger zusammengetan hatten, waren extrem verschieden. Sie kamen aus unterschiedlichen Berufen und politischen Lagern, Lagern die sich untereinander nicht grün waren. Mit Sicherheit gab es öfters Streit unter ihnen. Mancher Disput wird in der Bibel tatsächlich angesprochen.

Im normalen Leben hätten sie sich nie und nimmer zusammen an einen Tisch gesetzt und miteinander gegessen.

Und doch bildeten sie nun eine Gemeinschaft. Um Jesus herum.
Jesus war es, der sie an einen Tisch holte.

Bei einem letzten gemeinsamen Abendmahl nahm Jesus Abschied von ihnen. Aber er wollte, dass seine Jünger, so unterschiedlich sie auch waren, weiter zusammenbleiben. Alle, die ihm nachfolgen, sollten sich weiter treffen und zusammenhalten. Dann würde er bei ihnen sein, mitten unter ihnen. Das hat er versprochen.

Darum feiern wir weiter Abendmahl. Obwohl wir so unterschiedlich sind. Weil wir in den Kirchen eine Gemeinschaft sind, die sich um Jesus Christus herum versammelt. Wir sind Menschen, denen das, was Jesus gesagt und getan hat, wichtig ist. Die das weiter leben wollen.

Mahl der Versöhnung

Liebe Konfis, erinnert Ihr Euch an den „Streit“ von uns Erwachsenen auf der Konfifreizeit? Dabei ging es um die Bedeutung des Abendmahls. Und auch wenn es nur ein gespielter Streit war, hat er doch gezeigt: Das Abendmahl hat so viele Bedeutungen, bis heute. Und sie sind alle wahr.  Und wir haben uns in dem Streitgespräch ja auch wieder versöhnt. Weil es ja dabei auch um Versöhnung geht.

Vor wenigen Wochen habt Ihr in Kleingruppen jeweils eine Bedeutung des Abendmahls herausgearbeitet und den anderen vorgestellt: Passahmahl als jüdisches Fest, Abschiedsmahl Jesu, Erinnerung an Jesus, Dank für Gottes Gaben und Auftrag zu teilen, Hoffnung auf Auferstehung, ein Gemeinschaftsmahl, Vergebung und Frieden… Mal ist einem die eine Bedeutung näher mal ist eine andere wichtiger. Für mich ist es das Abendmahl im Moment oft ein Mahl der Hoffnung auf Frieden hin. Heute Abend feiere ich es als Mahl der Gemeinschaft mit Euch im Glauben an Jesus Christus. Denn diesen Glauben bekräftigt Ihr morgen und in den nächsten zwei Wochen bei Euren Konfirmationen.

Immerhin hat Jesus nicht nur mit seinen besten Freunden am Tisch gesessen, sondern auch mit dem, der ihn verraten hat. Und das war ihm sehr bewusst. Aber er hat ihn nicht weggeschickt.

Ich weiß, zum Frieden zwischen zwei Menschen wie zwischen zwei Staaten ist es oft ein langer Weg. Manchmal ist Frieden sogar unmöglich. Aber wenn es wenigstens gelingt, sich an einen Tisch zu setzen und miteinander zu reden, dann ist schon viel gewonnen. Dann spüre ich wundersam die heilige Geistkraft Gottes wirken.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all eure Vernunft bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Liebe Zeltgemeinde,

denke ich ans Zelten, dann fallen mir vor allem unsere Familienurlaube ein. Auf dem Weg nach Spanien machten wir unterwegs immer in Frankreich Halt und legten für eine oder auch mal zwei Nächte eine Rast auf einem Campingplatz ein. Mein Vater musste die lange Strecke alleine fahren und brauchte eine Pause.

Damals gab es noch diese typischen Zelte, die ich jetzt eigentlich nur noch in Bilderbüchern sehe: Oben spitz, vorne und hinten eine Stange und eine lange Querstange darauf. Und darüber wurde dann der Zeltstoff gespannt. Das Aufbauen an sich war schon immer ein Akt, der oft zu Streit führte.

Meine Eltern und mein Bruder lagen darin wie die Heringe nebeneinander, und für mich blieb vorne das Eckchen. Und da dort nicht genug Platz für eine Luftmatratze war, schlief ich auf Decken. Es war eng, unbequem, und

bor, und die Luft da drin… Was aber die Mücken nicht störte, die es immer irgendwie reinschafften.

Also, Zelten war seitdem erstmal nichts für mich. Beim Suppeessen nachher müsst Ihr und müssen Sie mir unbedingt von Ihren Zelterfahrungen erzählen.

Als ich später eigene Kinder bekam und die größer wurden, wollte unsere Jüngste unbedingt mal Zelten gehen. Also habe ich ein Zelt gekauft. Zur Sicherheit eins für acht Personen. Ich dachte ganz schlau, der Hersteller flunkert sicher, da passen bestimmt nur sechs und in die Heringsform rein. Und dann ist das für uns vier genau richtig. Was soll ich sagen: In unser Zelt passen definitiv acht Leute rein! Und unsere Jüngste und ich waren erstmal nur zu zweit….

Als wir auf dem Campingplatz ankamen und unser irrwitzig großes Zelt aufbauten – was echt easy war und schnell ging – dachte ich mit Sorgen an die Viecher, die sich darin verirren könnten. Wir kamen mit unseren Platznachbarn ins Gespräch, das war in einem Nationalpark in den USA, und bekamen einen Tipp: „Denkt daran, Eure Lebensmittel ins Auto einzusperren.“

Aber während ich an Ameisen dachte, erklärten sie: „Gestern ist ein Bär über den Platz gelaufen.“ Das war doch dann ein ganz anderes Tier, als ich eigentlich erwartet hatte.

Kurz und gut, auch wenn wir totale Campinganfänger waren, war es eine tolle Erfahrung. Mit Lagerfeuer und Smores. Was wir übrigens auf der Konfifreizeit auch machen, wenn das Wetter mitspielt. Mit Grillengezirpe und Baumduft zum Einschlafen. Mit leichtem Thrill, ob der Bär wiederkommt, und mit Frühstücken im Freien. Das machen wir Ende Oktober auf Konfifreizeit nicht…

Aber ich würde es immer wieder tun, zelten. Denn als Urlaubszelter nimmt die Außenwelt deutlich wahr, lebt quasi direkt in Gottes herrlicher Schöpfung. Und das Beste ist: man kann sein Zelt schnell einpacken und weiterziehen und sich überall dort lagern, wo es einem gefällt.

Warum erzähle ich Ihnen und Euch das? Das sollte doch eine Predigt werden! Mit Sätzen aus der Bibel und Jesus und Gott. Ja, kommt jetzt auch!

Zelte kommen tatsächlich in der Bibel vor. Zum Beispiel in Psalm 27, wie wir gehört haben, einem alten Gebet im Ersten oder Alten Testament. Und im Zweiten, Neuen Testament findet man auch Zelte.

Zum Beispiel im allerletzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes. Der hat Schlimmes erlebt und fragt sich: „Wo ist Gott, wo finde ich Gott? Steht Gott uns bei?“ Und Johannes fragt das nicht nur sich selbst, sondern er fragt es Gott und bekommt von Gott eine Antwort. Er hört quasi eine Stimme von oben. Die Stimme sagt: „Sieh da, das Zelt Gottes bei den Menschen. Und Gott wird bei ihnen wohnen. Und sie werden Gottes Völker sein. Und Gott selbst wird bei ihnen sein, ihr Gott.“

Ich finde das stark. Dass wir einen Gott haben, der mitgeht. Immer schon. Das erste Heiligtum war die so genannte Stiftshütte: ein Zelt, das das wandernde Gottesvolk immer dort aufgebaut hat, wo sie schliefen. Einen festen heiligen Ort kannte Israel ganz am Anfang noch nicht. 40 Jahre zogen sie durch die Wüste. Und wo sie ihr Gotteszelt aufbauten, da entstand ein heiliger Raum. „Zelt der Begegnung“ nannten sie es auch, weil sie dort Gott begegneten, wenn sie zu ihm beteten und auf seine Worte hörten. Er war und ist ein Gott, der begleitet und immer zugänglich ist. Überall kann ein heiliger Ort sein und werden, kann ich mich an Christus wenden und wendet sich er sich an uns.

Die ersten Christen trafen sich für ihre Gottesdienste in den Wohnhäusern. Sie wussten: „Gott wohnt bei uns, auch in den Wohnhäusern wie damals im Zelt. Wir werden auch Gottes Volk sein. Und Gott selbst wird bei uns sein.“ Es braucht nicht notwendig steinerne Häuser mit Türmen. Vielmehr gaukeln die uns eine trügerische Sicherheit vor. Nach dem Motto: Wir sind aus Stein und riesengroß, also bestehen wir für ewig.

Deshalb hat man vor allem in den 60er Jahren in Deutschland viele Zelt-Kirchen gebaut. Das war eine richtige Bewegung. Das sind richtige Kirchen, die die Form eines Zeltes haben, aber aus Stein und Beton sind. In dem Ort bei Bielefeld, wo mein Mann herkommt, steht ein solche Zeltkirche, in Leopoldshöhe. Und wer schon mal auf Spiekeroog war, kennt vielleicht die moderne katholische Kirche dort. Sie hat auch eine Zeltform.

Und es gab auch die Bewegung die Kirchenräume bewusst zu verlassen und in richtigen Zelten Gottesdienste und Evangelisationsveranstaltungen zu machen. Das kennt vielleicht die ein oder andere Älter auch noch aus ihrer Jugend.

Die Kirche als Zelt oder auch Kirche im Zelt – das erinnert zum einen daran: Dass wir ein „wanderndes Gottesvolk“ sind, dass wir beweglich bleiben sollen, dass wir uns nicht abhängig machen von scheinbaren Sicherheiten. „Wir haben hier keine bleibende Statt“, sagt ein Satz aus dem Zweiten Testament. Nichts ist von Dauer – außer Gottes Reich.

Die Kirche als oder im Zelt – das erinnert zum anderen daran, dass Gott sich bewegt, mit uns zieht, egal wo unsre Lebensreise hingeht, egal, wo wir uns gerade befinden: Ob wir im Ruhestand sind oder im Berufsleben stehen, ob wir Schülerinnen und Schüler sind oder noch kleinere Kinder.

Das war damals übrigens etwas Besonderes: dass Israel einen Gott hatte, der nicht ortsgebunden war. Einen Gott, zu dem man nicht hinfinden musste, sondern der zu seinen Menschen kommt und mit ihnen geht. Als Gott in Jesus Christus auf die Welt kam, hat er das noch einmal mehr deutlich gemacht.

Ihr Konfis habt gestern eine Reise angetreten. Wir haben gemeinsam Euren Konfikurs mit einem Frühstück begonnen. Wir haben Euch ein paar Wegmarkierungen für die kommenden 13 Monate vorgestellt und wir haben uns schon etwas kennengelernt. Wir freuen uns sehr auf eine spannende Entdeckungsreise mit Euch. Und wir hoffen, dass Ihr auf diesem Weg den Glauben an Jesus Christus für Euch entdeckt oder im Glauben bestärkt werdet.

Und ich wünsche Euch, dass unsere Kirchengemeinden St. Martin und St. Michael für Euch wie dieses super Zelt hier sein werden. Nicht eng und stickig, wie ich es damals in unseren Urlauben als Kind erlebt habe. Sondern so offen und hell, leicht und luftig – und zugleich ein Raum, der schützt.

Ich wünsche Euch und uns allen hier, dass wir überall heilige Räume erleben. Räume, in denen wir Gott erahnen und Christus begegnen. Zelte der Begegnung mit Jesus und Lagerfeuer mit anderen Gottsuchern. Ich wünsche uns, dass wir durch die Wände Gottes Gegenwart hören und riechen, sei es in Grillengezirpe und Baumduft, in Musik, Gebet und Gemeinschaft und anderem mehr. Nun, und die ein oder andere Überraschung mit leichtem Thrill, wer weiß, die gibt es vielleicht auch.

Dann und immer bewahre der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Vor einiger Zeit am Bahnhof Berlin-Spandau. Ich warte auf meinen Zug. Eine Mutter kommt mit Ihrem Sohn, zwei Koffer und ein Rucksack. Sieht mehr nach Auszug aus als nach Urlaub. Er ca. 18 Jahre alt, es ist Semesterbeginn – klare Sache: Erstsemester, kombiniere ich. Auszug von Zuhause und Studienbeginn.

Ein IC fährt ein, es ist noch nicht mein Zug. Letzte Ermahnungen und eine lange Umarmung von der Mutter, dann steigt der Jüngling ein.

Der Zug fährt aus dem Bahnhof, die Frau sieht ihm nach. Und dann - setzt sie sich ein paar Sitzplätze weiter auf die Bank. Und dort sitzt sie einfach. Ich denke noch: Sie ist wohl zu traurig und matt, um direkt zu gehen. Vielleicht wird ihr gerade bewusst, dass sie gleich in eine leere Wohnung kommt?

So oder so wird die ein und der andere von uns das auch schon erlebt haben. Vermutlich können Sie dieses Gefühl zurückzubleiben nachempfinden. Im besten Falle nur auf Zeit getrennt zu sein von den Lieben. Doch leider kennen wohl viele von uns auch das endgültige Verlassen-Sein viel zu gut.

Die Gemeinde des Lukas, der die Apostelgeschichte geschrieben hat, kannte diese Situation. Sie gehörte zur ersten nachjesuanischen Generation. Ihre Eltern oder Großeltern waren noch Zeitzeugen Jesu gewesen. Sie selbst hatten Jesus nicht mehr erlebt. Von der Begeisterung für Jesus, von alledem, was er gewirkt und erzählt hatte, hörten und spürten sie noch den Nachhall.

Ihnen zum Trost und zur Ermutigung erzählt der Evangelist, wie Jesus von seinen Jüngern Abschied nimmt. Er erzählt die Zwischengeschichte, die Brücke von Ostern zu Pfingsten. Warum und wie es gleich nach der Auferstehung Jesu eigentlich weiterging und schließlich zu dieser Be-Geisterung an Pfingsten kommen konnte. Wir haben diese Brückengeschichte in der Lesung gehört.

Ein letztes Mal lässt Jesus sich sehen, und das gleich vierzig Tage lang. Vierzig Tage von Ostern bis Himmelfahrt. Wohl mehr eine symbolische Zahl. Es ist aber auch egal, wie viele Tage es nun genau waren. Auf jeden Fall nochmal geschenkte Zeit mit Jesus. Als sie schon dachten, er sei für immer weg. Kostbare Zeit.

Kennen Sie das, diese wertvollen letzten Tage vor dem Abschied? Wenn man das letzte Lebewohl immer wieder hinauszögert? Wenn man fragt: „Sehen wir uns nochmal?“, weil man es nicht packt, endgültig „Tschüß“ zu sagen. Wenn man sich von einer letzten Begegnung zur allerletzten tröstet? Als könne man das Unausweichliche aufhalten.

Aber das geht nicht. Zwei, drei Jahre lang ist Jesus mit seinen Freunden unterwegs gewesen. Eine Zeit intensiver Gemeinschaft war das. Sie haben miteinander gefeiert und gestritten. Sie haben zu seinen Füßen gesessen, und er hat ihnen die Füße gewaschen. Sie haben ihn Wunder vollbringen sehen, und er hat sie ausgesandt, es ebenso zu tun. Und dann essen sie ein letztes Mal miteinander. Es wäre nicht Jesus, wenn es nicht ein letztes gemeinsames Zu-Tisch-Sitzen gegeben hätte.

Er verspricht ihnen den Heiligen Geist zu schicken, und dann ist er weg. Vor ihren Augen löst er sich quasi in Luft auf. So endet die Geschichte mit Jesus.

„Und nun?“ Ich stelle mir vor, wie seine Gefolgschaft zurückbleibt, sehe die Fragezeichen in ihren Gesichtern: „Was jetzt?“ Pfingsten kommt erst  noch, das Fest, an dem die Kirche sich feiert. Der Heilige Geist ist nur angekündigt, nichts ist schon losgegangen.

Das Alte ist vergangen, die intensive Zeit mit Jesus ist vorbei. Der Abschiedsschmerz ist noch sehr präsent.

Und das Neue? Der Neubeginn? Steht bevor, ist aber noch nebulös.

Sie sollen sich bereithalten, in Stellung bringen, hatte Jesus gesagt. „Bleibt in Jerusalem und wartet.“

„Rücken Sie vor bis auf Los.“ Kennen Sie diese Anweisung? Wer ein Monopolyspiel hat, hat das auf Ereigniskarten schon gelesen. „Und ziehen Sie nicht DM 2.000 ein.“ Wir haben keine ganz aktuelle Ausgabe... Wie auch immer. Man muss alles stehen und liegen lassen und auf den Anfang gehen. Sofort. Vom „Losfeld“ startet man dann neu.

Manchmal ist man jedoch noch gar nicht bereit dazu - und muss es doch. Die Jesus folgten, waren es nicht, aber mussten es. Manche heute muss es nach einem freiwilligen oder unfreiwilligen Abschied auch.

Und ich frage mich: Wäre ich bereit? Bereit, auf Los vorzurücken, bereit für einen neuen Anfang? Bereit zu wirklich großen Veränderungen? Voller Zuversicht, Lust und Vertrauen auf Gott? Hätte ich die Traute? Für einen neuen Lebensabschnitt, eine neue Aufgabe, was auch immer? Wären Sie es?

Und ich frage mich, sind wir als Kirche bereit? Können wir das gut, solche Abschiede nehmen? Bleiben wir deprimiert sitzen und verkriechen uns, zögern Unvermeidliches hinaus oder rücken wir weiter „vor bis auf Los“?

Manche Gemeinden in unserem Kirchenkreis gehen gerade mutige Schritte voran. Da geht so manches Neue los. Und in allen unseren Gemeinden starten in diesen Wochen neue Kirchenvorstände. Das ist wirklich wie ein Vorrücken auf Los, der Beginn nicht eines komplett neuen Spiels, aber einer ganz neuen Runde!

Und auch wenn wir keine DM 2.000 einsammeln dürfen, starten wir nicht blank durch, und die Jünger damals auch nicht.

Denn Jesus lässt etwas zurück. Nicht nur Erinnerungen an einen beeindruckenden Menschen und eine gute Zeit. Das auch. Nicht nur sein Erbe, seine Botschaft und seinen Auftrag, dieselbige weiterzutragen. Das auch. Sondern vielmehr: er schickt den Heiligen Geist. „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen“, sagt Jesus. Und ich denke: Ja, bitte, her damit!

Der Evangelist Johannes nennt den Heiligen Geist: den Tröster und den Geist der Wahrheit.

Vor knapp 100 Jahren hat der niedersächsische Theologe Philipp Spitta das Lied gedichtet: „O komm, du Geist der Wahrheit und kehre bei uns ein, verbreite Licht und Klarheit, verbanne Trug und Schein“.

Ach, wie oft habe ich mir das gewünscht in den vergangenen vier Jahren voller Krisen, Kriege, Katastrophen. Angesichts der vielen Abschiede, die wir nehmen mussten. Von Menschen, die wir kannten und schätzten, und die gestorben sind. Von einer großen Zahl Gemeindeglieder, die der Kirche den Rücken gekehrt haben. Von Ehrenamtlichen, die alle aus guten Gründen ihren Dienst nicht mehr weiterführen.

Wie oft habe ich mir gewünscht und wünsche es mir noch, dass Gottes Geistkraft zu Besuch kommt. Ich würde ihr auch bei uns ein Zimmer fertig und es ihr gemütlich machen und hoffen, dass sie lange bleibt.

Und als Gastgeschenke hätte sie Spittas „Licht und Klarheit“ dabei, das wäre fein: Immer ein paar Hoffnungsschimmer in der Ungewissheit. Feste Orientierungspunkte, wenn ich nicht mehr weiter weiß.

Vielleicht war sie auch schon da, die Geistkraft, auf Stippvisite zumindest. Letztens in dem ermutigenden Gespräch, und neulich, als mir jemand sagte: Wir beten regelmäßig für deinen Dienst.

Bestimmt ist sie da in den Gottesdiensten und Gebeten und in der Musik. Ich war in Hamburg nicht dabei, einige von Ihnen schon; aber schon die Videos vom Deutschen Evangelischen Posaunentag haben mir das Herz aufgehen lassen. Jetzt weiß ich, was Flächengold ist…

Ich bin überzeugt, Gottes Geist ist immer da, wo wir uns mit und in Christus verbunden wissen. Wenn Mutlosigkeit weicht und man gar nicht weiß, wo die Kraft gerade herkommt, die einen durchströmt. Wenn man Abschied von Liebgewonnenem und Gewohnten und Privilegien nehmen und sagen kann: Jetzt geht es eben anders weiter, aber das ist auch gut! Wenn ich Segensworte nicht nur höre, sondern den Segen spüre.

Ach, viel zu selten geschieht das. Und es ist eben etwas, was „geschieht“, sich ereignet. Dingfest machen kann man den Heiligen Geist nicht. Er kommt nicht auf Bestellung.

Die Geistkraft liebt nun einmal ihren Gaststatus und ist immer nur auf der Durchreise. Aber Jesus verspricht, ganz sicher: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen und werdet meine Zeugen sein“. Bloß immer wieder warten müssen wir darauf. Die Gemeinde des Lukas und die Kirche heute. 

A propos warten. Damals in Berlin-Spandau. Endlich kommt mein ICE. Wir beide stehen auf, die Frau, die ihren großen Sohn weggebracht hat, und ich. Ich will sie noch beim Einsteigen vorlassen. Doch sie schüttelt - inzwischen wieder lächelnd - den Kopf und meint: „Nee, danke, ich steige gar nicht ein. Ich habe meinen Ältesten weggebracht und hole jetzt meine Jüngste ab.“ Und ich denke noch: Welch ein tröstlicher Tausch.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Predigten von Pastorin Dorothea Luber

Liebe Gemeinde,

am Freitag bin ich von einer einwöchigen Fortbildung zurückgekehrt. Es war die letzte Einheit einer dreijährigen Langzeit-Weiterbildung. Und so war diese Kurseinheit auch ein Zurückblicken auf die gesamten drei Jahre der Weiterbildung. Dabei wurde mir bewusst, wie viel in diesen drei Jahren passiert ist – nicht nur in dieser Weiterbildung. Nein! Wie sehr sich die gesamte Welt verändert hat! 

Im November 2019 habe ich die Weiterbildung begonnen. Da hatte ich den Namen Corona bislang nur als Bier-Sorte gehört. Nie hätte ich es mir nicht vorstellen können, dass es wenige Monate später zu einer weltweiten Pandemie kommen würde. Wie viel und wie schnell sich verändert hat – 

Dass Maske-Tragen zu einer Selbstverständlichkeit wurde, Abstand halten, Verzicht auf Händeschütteln. Geschlossene Geschäfte – Geschlossene Kirche – selbst am Ostersonntag.

Vor drei Jahren war all das außerhalb meiner Vorstellungskraft! Unvorstellbar, dass mitten in Europa ein furchtbarer Krieg beginnen und fortdauern könnte. Dass die Gefahr eines Atomkrieges plötzlich wieder da ist. Und ein US-amerikanischer Präsident von der Gefahr eines Armageddon spricht. Vor drei Jahren unvorstellbar für mich. Und die Selbstverständlichkeit, dass wir mit Gas und Strom versorgt sind – sind eben keine Selbstverständlichkeit mehr. Sondern schwankende Fragezeichen. Betriebe, die nicht mehr wirtschaften können und aufgeben müssen. Menschen, die ihre Miete und Nebenkosten nicht mehr bezahlen können. Auch wir als Kirchengemeinden werden sparen müssen. Die Kirchen werden kalt bleiben – weil das normale Heizen der großen Kirchengebäude schlicht nicht zu bezahlen wäre. 

Ich bin nicht dafür, alles schwarz zu malen. Und manches Mal denke ich: Vielleicht ging es uns viel zu lange viel zu gut - ohne dass wir das wirklich wertgeschätzt haben. Das meiste haben wir doch als Selbstverständlichkeit genommen haben. Und gejammert wurde auf ziemlich hohem Niveau.

Für viele Menschen auf der Erde war die Welt schon vor drei Jahren mehr eine Katastrophe: Wie viele Menschen haben schon da unter furchtbaren Krankheit-Epidemien gelitten. Wie viele Menschen können von fließend Wasser, Gas und Strom nicht einmal träumen. Wie viele Menschen leben, leiden und sterben seit Jahren! in Bürgerkriegen. Und das meiste davon schafft es noch nicht einmal in unserer Nachrichten. Ja, denke ich dann: Uns ging es lange Zeit unglaublich gut- und es geht uns noch immer gut! 

Und dennoch kann ich die Sorgen und Ängste verstehen. Mich selber packt oft genug die Angst in dieser Zeit. Ich spüre, wie sehr mein Grundgefühl von Sicherheit erschüttert ist. Die Zukunft sieht nicht rosig aus – sondern manches Mal erscheint sie mir bedrückend schwarz.

„Kauft die Zeit aus, denn die Tage sind böse.“ Diese Worte schreibt der Verfasser des Epheserbriefes in der Bibel. Sicher waren die die Sorgen und Probleme, die die christlichen Gemeinden damals umtrieb ganz andere, als unsere heute. Aber dieses Gefühl spricht für mich auch in unsere Zeit: „Kauft die Zeit aus, denn die Tage sind böse.“ 

Ich lese aus dem Epheserbrief im 5. Kapitel:

So seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als Unweise, sondern als Weise, und kauft die Zeit aus, denn die Tage sind böse. Darum werdet nicht unverständig, sondern versteht, was der Wille des Herrn ist. Und sauft euch nicht voll Wein, woraus ein unordentliches Wesen folgt, sondern lasst euch vom Geist erfüllen. Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen 20 und sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus.                                            Epheser 5, 15-20

Kauft die Zeit aus –  Was heißt das eigentlich? Andere Übersetzungen formulieren: Nutzt die Zeit. 

Macht etwas Sinnvolles daraus. Also: Verplempert Eure Zeit nicht gedankenlos. Danach folgt eine ganze Liste an guten Ratschlägen und Ermahnungen: Weise sollen wir sein – und nicht unweise.

Verständig – und nicht unverständig. Und bitte nicht so viel Alkohol. „Sauft euch nicht voll Wein, woraus ein unordentliches Wesen folgt“  Ich widerstehe der Versuchung, diese Anti-Alkohol-Ermahnung einfach mit einem Schmunzeln beiseite zu wischen. Ich fange an zu fragen: Womit lasse ich mich im Leben volllaufen, das mich benebelt und mir den Weg zu Gott versperrt?

Das muss ja nicht der Alkohol sein. Vielleicht sind es die vielen schlechten Nachrichten, die Tag für Tag auf mich einprasseln, wenn ich Nachrichten schaue, Zeitung lese, die Schlagzeilen im Netz verfolge. Manchmal spüre ich, wie mich dann Sorgen und Angst in eine Spirale ziehen. Dann schaue ich bewusst keine Tagesschau. Und lese nicht jede Schreckensmeldung, die über meinen Bildschirm tickert. Weil ich vieles davon eh nicht verändern kann. Und mich nur lähmt und mir den Blick verstellt auf das, was ich tun kann. Es kann nämlich auch bequem sein, mich in den ganzen Schreckensnachrichten zu „suhlen“. Und nur noch zu sagen: Wie schrecklich! Und ich kann ja gar nichts machen. Ja, dann lasse ich mich nur „volllaufen“ mit Schreckensnachrichten. 

Vielleicht ist es aber auch meine eigene Betriebsamkeit. Mein Glaube, dass ich die Welt retten muss. Dass ich mache, mache, mache. Und nicht innehalte, um einmal zu fragen: Was will eigentlich Gott? Vielleicht lasse ich mich volllaufen mit Aktionismus. Und mein Größenwahn, dass ich die Welt retten will, verstellt mir den Blick darauf, dass Gott die Welt in den Händen hält und nicht ich. 

Vielleicht ist es auch etwas ganz anderes? Womit lasse ich mich „volllaufen“  womit lasse ich mich „berieseln“ Was wird zu einem Hindernis, das sich zwischen mich und Gott stellt. 

Was ist da vielleicht in meinem Leben, das mir eigentlich schadet und mich wegführt von Gott?

„Darum werdet nicht unverständig, sondern versteht, was der Wille des Herrn ist.

Sauft euch nicht voll Wein –  Sondern lasst euch vom Geist erfüllen.“ 

Nach Gottes Willen fragen – auf den Heiligen Geist hören – und danach handeln. Das ist der Kern unseres Glaubens.

Immer wieder – und immer wieder neu. Auch in dieser Zeit – mit all ihren Umbrüchen und Unsicherheiten. 

Auch in der Kirche verändert sich viel und wird sich noch viel, viel mehr verändern. Wir stehen noch ganz am Anfang von gewaltigen Umbrüchen. Christ zu sein ist auch in unserem Land längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Die Gemeinden werden kleiner, das Geld wird weniger. 

Die Pastoren und Pastorinnen werden in den kommenden Jahren deutlich weniger werden. 

Viele Pfarrstellen werden nicht mehr zu besetzen sein. Kirchengebäude werden verkauft werden. Gemeinden zusammengelegt.

Ich wünsche mir, dass wir uns als Kirche von all dem nicht lähmen lassen. Dass wir uns nicht „volllaufen“ lassen mit Zukunftssorgen. Weil ich ganz sicher bin, die Kirche wird bleiben.

Auch wenn Kirchengebäude verschwinden werden. – So weh das tut. Und manche schmerzhafte Veränderung noch anstehen wird. Aber die Kirche als Gemeinschaft der Christen wird bleiben. 

Weil wir die Kirche nicht machen. Und weil es nicht unsere Kirche ist – sondern die Kirche Jesu Christi. 

Ich wünsche mir für unsere Zukunft als Kirche mehr Geist! Ein bewusstes Fragen danach, was Gottes Wille ist. Immer wieder. Dazu braucht es Gebet, Stille, Hinhören. Und ein Sich-darauf-einlassen, dass unsere Vorstellungen und Wünsche nicht immer Gottes Wünsche und Vorstellungen sind. 

Im Epheserbrief steht zum Schluss noch etwas ganz Wichtiges: „Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern“ 

Ja, auch das wünsche ich mir: Dass wir uns gegenseitig Mut machen. Gerade dann wenn es schwierig wird. Und die Zukunft eben nicht rosig sondern dunkel erscheint. Dass wir einander davon erzählen, was uns Mut macht und stärkt. Dass wir miteinander teilen, was uns im Leben und im Glauben trägt. Wenn ich mich selber in meine Sorgen vergrabe, dann brauche ich das, dass jemand kommt und mich wieder rausholt. Dafür braucht es gar nicht viel. Oft reicht es schon, wenn ich spüre: Da ist jemand, der hört mir zu und trägt meine Sorgen mit. 

„Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern“ Der Gottesdienst kann dafür ein Ort sein: Gemeinsam zu singen, zu beten, auf Gottes Wort zu hören. Füreinander und für andere zu beten. Und auf Gottes Gegenwart zu vertrauen. 

„Und sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus.“ 

In allen Schwierigkeiten und Veränderungen dieser Zeit, ist genau das für mich wichtig und heilsam: Immer wieder auch ins Danken zu kommen. Den Blick zu lenken auf das, was immer noch gut ist und schön. Und da ist noch immer ganz vieles schön und wunderbar. Da ist so vieles, wofür ich Gott von ganzem Herzen danken kann. 

Das ist keine blauäugige Sicht und auch keine Weltflucht. Das Danken schenkt mir neue Kraft, um mich auch den dunklen Seiten des Lebens zu stellen. Es gibt mir Mut, die Zeit „auszukaufen“ – meine Leben fröhlich zu leben, und sinnvoll zu gestalten – Im Hören darauf, was Gottes Wille ist. 

Und im Vertrauen darauf, dass Gott mitgeht. In guten wie in bösen Tagen. 

Ich lese noch einmal die Worte auf dem Epheserbrief. 

[Epheser 5, 15-20]

Liebe Gemeinde,

am letzten Abend des Jahres feiern wir Gottesdienst. 

Erinnern Sie sich noch, wie das war vor einem Jahr? Als Sie in das Jahr 2022 gestartet sind?

Mit welchen Wünschen und Hoffnungen, vielleicht auch Sorgen sind Sie ins Jahr 2022 gestartet?

Und jetzt? Wie schauen Sie zurück auf das Jahr, das jetzt zu Ende geht? Haben sich Wünsche und Hoffnungen erfüllt? Hat sich manches oder vieles anders entwickelt, als gedacht? 

Ganz sicher ist 2022 im Großen ein einschneidendes Jahr gewesen:  Mit dem russischen Angriffskrieg, der im Februar begonnen hat und fortdauert. 

Wie sehr dieser Krieg das Leben für die Menschen in der Ukraine verändert hat, das können wir kaum richtig erahnen. Kaum vorstellbar ist das, wenn man es selber nicht erlebt und erleidet. 

Zugleich hat der Krieg auch vieles bei uns verändert. Vieles, das auf festem, sicheren Boden stand, ist wackelig, geworden. Ich kann es für mich sagen: Die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben in mir ein Grundgefühl der Sicherheit ins Wanken gebracht. 

Und anders als in anderen Jahren gehe ich mehr mit gemischten Gefühlen in die Silvesternacht. 

Da ist nicht nur das Gefühl von Neugier auf das  neue Jahr. Sondern auch ein sorgenvolles Gefühl. Was kommt auf mich; auf uns zu, im neuen Jahr?

Und dann schaue ich auf die Jahreslosung, die für das Jahr 2023 ausgelost wurde:  „Du bist ein Gott, der mich sieht.“

Hagar spricht diese Worte, die Dienerin von Sarah, der Frau Abrahams. 

Wir sind damit ziemlich am Anfang der Bibel. Im 1. Buch Mose, Kapitel 16. In den sogenannten „Vätergeschichten“. Dass es auch Müttergeschichten sind, wird in der Geschichte von Sarai und Hagar deutlich. Die Erzählung ist aus heutiger Sicht in vielen Teilen problematisch. 

Sarai und Abraham bekommen keine Kinder.  „Sarai war unfruchtbar und hatte kein Kind“ heißt es in der Bibel. Zur damaligen Zeit eine Katastrophe. Weil das Frau-Sein definiert war über das Mutter-sein. Aus heutiger Sicht mehr als problematisch, Frauen so sehr auf die Mutter-Rolle einzuschränken. 

Sarai schickt ihre Dienerin Hagar zu Abraham, damit er mit ihr ein Kind zeugt. Es war damals kein ungewöhnlicher Plan. Aus heutiger Sicht natürlich umso mehr. Abraham, der ohne Zögern Sarais Plan in die Tat umsetzt. Und Hagar, die gar nicht erst gefragt wird. Und zur Leihmutterschaft gezwungen wird. 

Hagar wird schwanger und fühlt sich damit plötzlich Sarai gegenüber überlegen. 

Und Sarai kann es nicht ertragen, wie Hagar jetzt auftritt. Die sie spüren lässt, dass sie sich als vollwertige Frau sieht, weil sie das Kind erwartet. Und eben nicht Sarai. 

Sarai lässt ihre Wut und Verzweiflung an ihrer Dienerin aus. 

„Da demütigte Sarai sie, so dass sie vor ihr floh“. heißt es in der Bibel. Und weiter heißt es:

Der Engel des HERRN fand sie bei einer Wasserquelle in der Wüste.

Der sprach zu ihr: Hagar, Sarais Magd, wo kommst du her und wo willst du hin? Sie sprach: Ich bin von Sarai, meiner Herrin, geflohen.  Und der Engel des HERRN sprach zu ihr: Kehre wieder um zu deiner Herrin und demütige dich unter ihre Hand.

Ich will deine Nachkommen so mehren, dass sie der großen Menge wegen nicht gezählt werden können.  Siehe, du bist schwanger geworden und wirst einen Sohn gebären, dessen Namen sollst du Ismael nennen; denn der HERR hat dein Elend erhört. 

Und sie nannte den Namen des HERRN, der mit ihr redete: Du bist ein Gott, der mich sieht.

 Denn sie sprach: Gewiss hab ich hier hinter dem hergesehen, der mich angesehen hat.

„Du bist ein Gott, der mich sieht“ Mit dieser Jahreslosung gehen wir in das neue Jahr. 

Reicht das als Trost, als Glaubensstärkung für das, was kommen wird? Ein Gott, der uns sieht?

Reicht es für die Menschen, die in vom Krieg zerstörten Häusern hocken, ohne Strom, ohne Heizung? Reicht es für die, die hier bei uns in ihren Wohnungen sitzen und nicht wissen, wovon sie Strom und Heizung bezahlen sollen? Reicht es für die, die den liebsten Menschen verloren haben und mit einsamen Herzen auf das neue Jahr schauen?

 „Du bist ein Gott, der mich sieht“ Für Hagar ändert sich nichts grundlegend. Der Engel, der mit ihr spricht, löst die Situation nicht auf, in der sie feststeckt. „Kehre wieder  um zu deiner Herrin“. sagt der Engel. 

Und dennoch ändert sich etwas. Hagar bekommt Gottes Segen mit auf den Weg. Sie ist damit die erste Frau überhaupt, der  in der Bibel eine solche Segensverheißung zugesprochen wird. 

Und Hagar fühlt sich von Gott gesehen. Wahr-genommen. 

Ihre Geschichte, ihr Schicksal wird ernst genommen, für wahr - genommen. Sie wird gesehen. 

Das löst ihre Probleme nicht auf. Aber sie ist nicht mehr allein. Gott ist bei ihr. Gott sieht sie. Sie ist angesehen. 

Wenn ich Menschen in Krisensituationen begleite, fühle ich mich auch als Pastorin oft hilflos. 

Was sage ich einer Familie, deren Haus gerade abgebrannt ist? Die mit den Leben davon gekommen sind. Aber mit nichts in der Hand. 

Was sage ich einer jungen Frau, deren Mann bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist und was ihrem Kind?

In solchen Situationen fehlen auch mir die Worte. 

Aber ich erlebe, wie wichtig es ist, dass ich trotzdem da bin. In meiner Sprachlosigkeit und Hilflosigkeit. Wie wichtig das ist, gesehen und gehört zu werden im eigenen Leid und in der eigenen Not. Manchmal ist es das Wichtigste überhaupt: Einfach nur gesehen zu werden. 

„Du bist ein Gott, der mich sieht“ Mit dieser Jahreslosung gehen wir in das neue Jahr. 

Der Glaube an Gott ist für mich auch eine Anfechtung. Weil da immer auch Fragen bleiben, warum vieles so ist in der Welt, wie es ist. Und wie das sein kann, wenn Gott uns Menschen und die Welt erschaffen hat und liebt und nicht aufhört zu lieben. 

„Siehe es war alles sehr gut.“ Und dann schaue ich in die Welt und so vieles ist gar nicht gut. 

Der Glaube an Gott ist für mich aber auch ein trotziges Dennoch. 

Ein trotziges Vertrauen darauf, dass Gott da ist und bleibt. Dass Gott mich sieht. Und die anderen. Und die ganze Welt. Diesen Glauben kann ich nicht machen. Oft ist er für mich ein Wunder: Dass ich spüren kann, dass Gott da ist. Dennoch. Wenn ich das spüre, ist es für mich immer ein Geschenk, dieser Glaube in mir. 

Und es stärkt mich, von andere ihre Glaubensgeschichte zu hören. Oft ist es ein Glaube gegen Widerstände und Anfechtungen. Hagar, die in allen Schwierigkeiten erlebt, dass Gott sie ansieht und segnet und stärkt. Dietrich Bonhoeffer, der im Gefängnis oft verzweifelt und doch immer wieder auch etwas spürt von Gottes Nähe. 

„Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“ 

An diesem Dennoch-Glauben will ich festhalten, auch im neuen Jahr. Amen. 

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem HERRN Jesus Christus.

Liebe Gemeinde,

ich erinnere mich noch gut daran, wie ich als Pastorin meine erste Trauung hatte. Genauer gesagt, ich war noch im Vikariat – also Pastorin in der Ausbildung. Wie das so ist in der Ausbildung, macht man viele Dinge zum ersten Mal. Und so kam also die erste Trauung auf mich zu. Und ich war ganz schön aufgeregt: Schon beim Vorbereitungsgespräch mit dem Brautpaar. Im Gespräch habe ich dem Paar erzählt, dass es nicht nur für sie, sondern auch für mich eine Premiere wird. 

Und da meinte das Paar ganz entspannt: Ach, Sie sind Pastorin. Sie machen das schon! 

„Sie sind Pastorin. Sie machen das schon.“ Als die beiden das so gelassen und überzeugt aussprachen, war ich irgendwie baff. Und es hat mich damals großartig gestärkt.

Dass sie mich so ohne Frage als die Pastorin ansahen, und überzeugt waren, dass ich die Trauung schon gut machen werde. Für mich im Stillen fand ich das gar nicht so selbstverständlich. Und als Vikarin fühlte ich mich auch noch nicht so richtig als fertige Pastorin. Aber ich nahm diese Worte des Brautpaares mit: „Sie sind Pastorin. Sie machen das schon.“ Und ich dachte mir: Gut. Ich bin Pastorin. Und ich mache das schon. 

Mir wird dabei bewusst, welch große Wirkung Worte haben können. Worte können stärken und bestärken. Und mitunter können sie so etwas wie eine neue Wirklichkeit erschaffen. 

„Sie sind Pastorin. Sie machen das schon:“ Diese Worte machten mich gewissermaßen zu der Pastorin, „die das schon macht“. 

 „Ich glaube an die Wunder der Worte, die in der Welt wirken und die Welten erschaffen.“  schreibt die Schriftstellerin Rose Ausländer in ihrem Gedicht „Glauben“. 

In der Bibel ist es Gottes Wort, das wirkt und erschafft. In der Schöpfungsgeschichte spricht Gott - und mit seinem Wort erschafft Gott die Welt. Und Gott sprach: Es werde Licht, und es ward Licht.“ 

Später im Johannesevangelium ist es Jesus Christus, der als das Wort Gottes beschrieben wird. 

Und auch im 2. Jesajabuch wird Gottes Wort in den Mittelpunkt gestellt. 

Ich lese aus Jesaja im 55. Kapitel: [Jesaja 55, 6-11]

Suchet den HERRN, solange er zu finden ist; ruft ihn an, solange er nahe ist. Der Gottlose lasse von seinem Wege und der Übeltäter von seinen Gedanken und bekehre sich zum HERRN, so wird er sich seiner erbarmen, und zu unserm Gott, denn bei ihm ist viel Vergebung. Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR, sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken. Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen, so wird das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende.

Da ist zunächst der große Unterschied zwischen Gott und uns Menschen, der mir auffällt:

Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr, sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanke als eure Gedanken.“ 

Ich kann Jesaja verstehen. Gottes Gedanken und Gottes Wege sind für mich oft weit weg. Weil ich so vieles in der Welt nicht verstehe. Und vieles mich bedrückt oder mir Angst macht. 

Ich denke an den Krieg in der Ukraine. Ich denke an das Erdbeben in Syrien und in der Türkei. Und so vieles gibt es, das ich nicht verstehe und wo ich Gott nicht sehe und nicht spüre.  

Ich tue mich mehr schwer damit, gleichzeitig noch von Gottes Allmacht zu sprechen. Weil ich nicht verstehen kann und verstehen will, wie all das Schreckliche in Welt zusammengeht mit einem allmächtigen Gott. 

Aber vielleicht ist es auch der falsche Ansatz, dass ich Gott in allem verstehen möchte. Vielleicht ist das auch viel zu groß gedacht von mir und viel zu klein von Gott. „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine Wege.“ Ja ich bin überzeugt davon, dass wir Gott nicht im Ganzen erfassen können. Dafür ist Gott zu groß. Und ich viel zu klein. 

Aber zugleich ich bin davon überzeugt, dass wir Gott im Kern, in seinem Wesen erfassen können. 

Und der Kern meines Glaubens ist es, dass Gott Liebe ist. Dass Gott ein Gott ist, der uns liebt und es gut mit uns meint. 

Ich sehe Gott nicht als den mächtigen Herrscher, das alles im Griff hat und das Leid in der Welt in Luft auflösen kann. Ich sehe Gott in Jesus Christus. Ein Gott der mitleidet. Der mit uns geht. 

Ein Gott der selber Mensch wird, der selber leidet und in den Tod geht, damit wir wissen: Auch im dunkelsten Dunkel sind wir nicht allein, weil Gott selber in dieses Dunkel hinabgestiegen ist und an unserer Seite geht. 

„Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine Wege.“ 

Ich kann es nicht fassen, nicht begreifen, dass Gott diesen Weg gegangen ist:

Hinunter vom Himmel auf die Erde. Von der Göttlichkeit in die Menschlichkeit. 

Und ganz hinunter in den Tod, in die Gott-Verlassenheit. 

Für mich ist das zu groß, unbegreiflich. 

 „So viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.“ spricht Gott.

Ich kann Gott nicht im Ganzen erfassen.

Aber ich glaube, spüre und erlebe, dass Gott da ist. Und dass Gott mitgeht. Und dass Gott mich liebt. Davon erzählt die Bibel. Davon erzählt Gottes Wort, das zu mir spricht. 

„Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen…

So wird das Wort, das auch meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende.“ 

Auch das sind Gottes Wege: Dass Gott nicht mit der Faust auf den Tisch haut. Sondern sein Wort regnen lässt, sanft wie der Schnee oder ein warmer Sommerregen, der auf die Erde fällt. 

In der Natur, im Wachsen und Gedeihen braucht es Geduld und einen langen Atem. Da geht es selten von jetzt auf gleich. 

Wenn in einem heißen Sommer der Boden ausgetrocknet ist, dann bringt es nichts, mit Gewalt Wassermassen auf die Erde zu kippen. 

Im Gegenteil, das viele Wasser würde den Erdboden ausspülen. Weil die Erde viel zu trocken ist, um so viel Wasser mit einem Mal auszunehmen. Da braucht es Geduld und sanften, leisen Nieselregen, der die Erde ganz langsam durchfeuchtet und wieder zu fruchtbarer Erde macht. 

Und manche Pflanzensamen gibt es, die nicht gleich aufgehen. Manche Pflanzensamen brauchen Wochen oder gar Monate. Ja, es gibt sogar Pflanzen, bei denen die Samen Jahre im Boden liegen, bevor sie irgendwann doch keimen. 

Ja, es gibt auch die Aussaat, die gar nicht gelingt. Das Gleichnis vom Sämann haben wir vorhin als Lesung aus dem Lukasevangelium gehört. Es erzählt davon, wie Gottes Wort auf unterschiedlichen Boden fällt. Vieles fällt auch schlechten Boden, wo es überhaupt nicht wachsen kann. 

Die Worte von Jesaja haben einen anderen Blickwinkel. Es ist die große Verheißung, dass Gottes Wort wirkt. Dass Gottes Wort nicht leer zurückkehrt, sondern tut, was Gott gefällt. 

Gott spricht: „Gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt […]so wird das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen.“ 

Wir Menschen können das nicht machen. Aber wir können darauf  vertrauen,  dass Gottes Wort wirkt: In uns und in der Welt. Manchmal geschieht das anders, als wir uns das vorstellen. Und manchmal braucht es Zeit, bis etwas aufgeht und wächst und Wurzeln schlägt. 

Aber ich möchte der Verheißung vertrauen, dass Gottes Wort nicht ohne Wirkung bleibt. 

Ich denke zurück an das erste Brautpaar, das ich damals trauen durfte.

„Sie sind Pastorin. Sie machen das schon.“ Und sie hatten recht: Genauso war’s. 

Ich denke an die vielen Worte aus der Bibel, die von Gottes Liebe erzählen. Nicht immer fallen sie bei mir auf guten Boden. Manchmal sind in mir Zweifel und viele Fragen. Aber immer wieder erlebe ich, wie Gottes Wort mich doch erreicht. Und dass Gottes Wort mich verändert.

Es gibt so viele Worte in der Welt, die mich bedrücken und ins Dunkel ziehen. 

Worte, die klein machen, die verletzten und zerstören. Worte die von Hass reden und Gewalt und Krieg. 

Gerade gegen all das Dunkle ist mir Gottes Wort so wichtig. Vieles kann ich nicht verstehe. Gottes Wege und Gottes Gedanken sind oft weit weg für mich. Aber Gottes Wort erzählt davon,

dass Gott Liebe ist und dass Gott da ist und mitgeht. Und dass Gott mich liebt. 

Diese Worte aus der Bibel brauche ich – immer wieder – wie einen sanften Sommerregen, der langsam die Erde durchfeuchtet, so dass Gottes Wort in meinem Herzen ankommen kann und Wurzeln schlägt. Amen. 

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!

 

Liebe Gemeinde, 

Hauptsache gesund! Das ist ein Ausspruch, der mir häufig begegnet.

Oft regt sich in mir dabei Widerstand. Mir liegt aus der Zunge zu fragen:

Ist Gesundheit wirklich das Wichtigste? Gibt es nicht Dinge, die wichtiger, entscheidender sind für ein gutes, glückliches Leben?

Aber natürlich weiß auch ich, wie wichtig Gesundheit ist und wie einschneidend, wenn sie nicht mehr da ist. Wer von einer schweren Krankheit betroffen ist, weiß, wie sehr die Gedanken, Gefühle, das gesamte Leben um die Krankheit und die Sehnsucht nach Gesundheit kreisen. In der Bibel erzählt das 2. Königebuch die Geschichte von Naaman. Ein einflussreicher General, der schwer erkrankt. Verzweifelt sucht er Hilfe, gegen seine Erkrankung. Ich lese aus dem 2. Königebuch aus dem 5. Kapitel. (2. Kön 5, 1- 15a)

 

Naaman war der Heerführer des Königs von Aram. Sein König schätzte ihn sehr und hielt große Stücke auf ihn. Denn der Herr hatte bewirkt,dass er für Aram siegreich war. Er war ein Kriegsheld, litt aber an Aussatz. Die Aramäer überfielen das Land Israel immer wieder.

Einmal hatten sie ein junges Mädchen verschleppt, das jetzt im Dienst von Naamans Frau stand. Dieses Mädchen sprach zu ihrer Herrin: »Ach, wäre mein Herr doch beim Propheten in Samaria! Der könnte ihn von seinem Aussatz heilen.« Da ging Naaman zu seinem Herrn und König und berichtete ihm: »Das und das hat das Mädchen aus Israel gesagt.« Darauf sagte der König von Aram: »Geh dorthin! Ich werde dir ein Schreiben mitgeben. Es ist für den König von Israel bestimmt.«Naaman ging los und nahm Geschenke mit.

So kam er zum König von Israel und übergab ihm das Schreiben. Darin stand: »Wenn du dieses Schreiben erhältst, weißt du: Ich habe meinen Knecht Naaman zu dir geschickt, damit du ihn von seinem Aussatz heilst.« Als der König von Israel das Schreiben gelesen hatte, zerriss er seine Kleider. Er sagte: »Bin ich denn Gott? Kann ich töten oder lebendig machen? Da schickt dieser mir einen Mann, den ich vom Aussatz heilen soll! Merkt ihr es? Er sucht nur einen Anlass für Krieg!« Elischa, der Gottesmann, hörte davon, dass der König von Israel seine Kleider zerrissen hatte. Deshalb schickte er eine Botschaft zum König:» Warum hast du deine Kleider zerrissen? Naaman soll zu mir kommen. Dann wird er erkennen, dass es in Israel einen Propheten gibt!« So kam Naaman mit Pferden und Wagen zu Elischa und hielt vor der Tür seines Hauses. Elischa schickte einen Boten zu ihm hinaus: »Geh und wasch dich siebenmal im Jordan! Dann wird deine Haut gesund und du giltst wieder als rein.« Doch Naaman wurde zornig. Er wollte weggehen und sagte: »Ich dachte, er selbst kommt zu mir heraus und stellt sich vor mich hin. Dann ruft er den Namen des Herrn an, seines Gottes, erhebt seine Hände und betet in Richtung des heiligen Ortes. Und so heilt er mich vom Aussatz. Die Flüsse von Damaskus, sind die nicht viel besser als alle Gewässer Israels? Dann hätte ich mich gleich dort waschen können, um wieder gesund zu werden!« Voller Zorn drehte er sich weg und wollte gehen. Da traten seine Diener an ihn heran und sagten zu ihm: »Herr, was wäre gewesen, wenn der Prophet etwas Großes von dir verlangt hätte? Hättest du es dann nicht getan? Doch er sagte nur: ›Wasch dich und du wirst gesund.‹ Warum tust du das dann nicht?« Also stieg er doch zum Jordan hinab und tauchte siebenmal unter, wie es der Gottesmann gesagt hatte. Da wurde seine Haut gesund wie die Haut eines Kindes, und er galt wieder als rein. Darauf kehrte er wieder zum Gottesmann zurück, zusammen mit seinem ganzen Gefolge. Er trat vor ihn hin und sagte: »Nun weiß ich, dass es nirgendwo einen Gott gibt außer in Israel. Er ist der einzige Gott auf der ganzen Welt.

 

Naaman – Kriegsheld, die rechte Hand des Königs. Mächtig, angesehen, erfolgreich. Doch sein Leben gerät aus den Fugen.  Eine fiese Hauterkrankung erwischt ihn. Er leidet an Aussatz – so schildert es die Bibel. Was für eine Hautkrankheit genau das war, wissen wir heute nicht. Aber sicher ist: Naaman leidet. Er, der immer sportlich, stark und durchtrainiert war, mag nicht mehr in den Spiegelschauen. So schlimm sieht er aus. Entstellt kommt er sich vor. Er mag nicht mehr unter Leute. Und seine Karriere beim König? Wie lange würde es noch dauern, bis man ihm, unter einem Vorwand, kündigen würde.

So vieles hat Naaman schon versucht. Spezialisten aufgesucht und Heiler. Diverse Therapien probiert. Aber vergeblich. Nichts schlägt an. Und so greift Naaman auch nach dem letzten Strohhalm. Ein junges Mädchen aus Israel erzählt seiner Frau von einem Propheten in ihrem eigenen Land. „Ach wäre mein Herr doch beim Propheten in Samaria! Der könnte ihn von seinem Aussatz heilen.“

Eine steile Aussage. Wo Naaman schon so vieles versucht und so viele Experten aufgesucht hat. Soll er wirklich auf dieses fremde Mädchen hören? Aber die Worte gehen ihm nicht mehr aus dem Kopf. Eigentlich wahnwitzig, absurd. Er, der General, der im Krieg dieses Land besiegt hat. Er soll jetzt ausgerechnet dort hinreisen. Als Bittsteller. Und bei einem Heiler aus dem besiegten Land um Hilfe bitten? Doch vielleicht ist es seine letzte Chance. Und vielleicht, vielleicht, kann dieser Prophet ihm wirklich helfen? Naaman lässt sich darauf ein. Er macht sich auf den Weg und reist ins fremde Land.

 

Doch bevor wir weiter auf Naaman und sein Schicksal schauen, möchte ich einen Blick werfen auf die namenlose junge Frau. In einem Satz steckt knapp geschildert ihr furchtbares Schicksal: „Einmal hatten sie ein junges Mädchen verschleppt, das jetzt im Dienst von Naamans Frau stand.“

Eine Kriegsgefangene, verschleppt und versklavt. Von ihrem weiteren Schicksal erfahren wir nichts. Ob Naaman sie nach seiner Heilung und Rückkehr anders behandelt hat? Vielleicht, dass er ihr sogar die Freiheit zurückgegeben hat, so dass sie zurückkehren konnte in ihr eigenes Land? Ich hoffte und wünschte es für diese namenlose junge Frau.

Sie war es, die den Stein ins Rollen brachte, der Naaman letztlich gesund werden ließ.

 

Naaman jedenfalls ist bereit, sich auf Neues, Fremdes einzulassen. Eigene Vorstellungen über Bord zu werfen. Und auf das Unbekannte zu vertrauen. Auch wenn dieser Weg nicht immer geradlinig und einfach ist. Mehrmals ist Naaman soweit, das Handtuch zu werfen und zu sagen: Bis hierhin und nicht weiter!

Da ist also dieser Prophet, Elischa. Der Wunderheiler, der ihn gesund machen soll. Nachdem Naaman lange gezögert hat, setzt er alles auf eine Karte. Mit Pferden und Wagen hält er vor Elisas Tür. Ein würdiger Auftritt. Er, Naamann, ist schließlich nicht irgendwer.

Und er verdient er, würdig empfangen zu werden. Doch das Gegenteil passiert. Der Prophet macht sich noch nicht mal die Mühe, selbst vor die Tür zu treten; geschweige denn Naaman angemessen zu empfangen. Nichts davon. Er schickt einen Diener, der auch nur eine knappe Therapieverordnung gibt: „Geh und wasch dich siebenmal im Jordan! Dann wird deine Haut gesund und du giltst wieder als rein.“

Verständlich, dass Naaman wütend ist und enttäuscht. Er fühlt sich veralbert. Dafür ist er über seinen eigenen Schatten gesprungen. Dafür hat er diese Reise auf sich genommen. Um sich so abspeisen zulassen. Ein Bad nehmen!  Das hätte er besser und bequemer zu Hause erledigen können!

Und doch lässt sich Naaman auch diesmal neu überzeugen. Er überdenkt seinen Ärger und seine Ablehnung. Die Diener sprechen mit ihm: Was hat er schon zu verlieren. Nichts! Warum also es nicht einfach versuchen.Vielleicht zweifelnd, vielleicht lustlos, aber er lässt es darauf ankommen und badet.

Und er wird maßlos überrascht: Von seiner Heilung. Von einem Gott, der ihm fremd und unbekannt war. Von Gottes Wegen, die oft auf krummen Pfaden in die richtige Richtung führen.

Manchmal sind es auch die Menschen, die mich irritieren, mich vielleicht sogar erstmal abstoßen, die es gut mit mir meinen und die mich auf einen guten Weg bringen. Manchmal sind die Wege, die mich erstmal in eine falsche, unbequeme Richtung führen, am Ende doch die goldrichtigen. Im Glauben erlebe ich das, dass Gottes Wege oft andere sind, als ich auf den ersten Blick einschlagen würde.

Naaman wagt es, neue Wege zu gehen. Er lässt sich auf Fremdes ein, auf fremde Menschen,

ja, auf einen fremden Gott. Und er erlebt seine Heilung und kehrt als Neugeborener zurück.

 

Ein simples Bad, das Naaman zunächst ablehnt, führt zum Gesundwerden. Vielleicht habe ich auch das schon erlebt: Dass Gott gar nicht mit riesigen Wundern wirkt, sondern durch kleine Dinge im Alltag. Kleine Dinge, die doch so vieles verändert und zum Guten wenden, wenn ich mich darauf einlasse.

Und noch etwas steckt darin: Die Therapie von Elisa bedeutet, dass Naaman selbst aktiv wird.

Das ist nicht bequem. Auch ich ertappe mich dabei, dass ich mir beim Orthopäden eher eine Salbe wünsche, anstelle der ärztlichen Verordnung: mehr Bewegung und Sport gegen die Rückenschmerzen.

 „Ich dachte, er selbst kommt zu mir heraus und stellt sich vor mich hin. Dann ruft er den Namen des Herrn an, seines Gottes, erhebt seine Hände und betet in Richtung des heiligen Ortes. Und so heilt er mich vom Aussatz.“ Ja, das wäre so viel einfacher und bequemer.

Aber bequem und einfach ist eben nicht immer der richtige Weg.

Ich bin von Herzen froh und dankbar, dass in diesen Tagen so viele aufstehen und protestieren gegen rechts. Weil wir alle Verantwortung tragen für ein friedliches, gutes Miteinander. Für Frieden und für Menschenrechte.

Und ich wünsche uns, dass wir uns von Naaman ermutigen lassen: Der es geschafft hat, über seinen eigenen Schatten zu springen: Neues zu wagen, fremde Wegen einzuschlagen, Rat anzunehmen. Und selber aufzustehen und aktiv zu werden. Um so zu erkennen, dass Gott mit ihm ist. Und ihn heil werden lässt.

Amen.

Predigten von Prädikantin Dr. Johanna Gronau

„Die Güte des HERRN ist's, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß. Der HERR ist mein Teil, spricht meine Seele; darum will ich auf ihn hoffen. Denn der HERR ist freundlich dem, der auf ihn harrt, und dem Menschen, der nach ihm fragt. Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf die Hilfe des HERRN hoffen. Denn der Herr verstößt nicht ewig; sondern er betrübt wohl und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte.“

Der Predigttext für heute, er stammt aus dem Buch der Klagelieder, Kapitel 3.

„Die Güte des HERRN ist's, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß.“ Das hört sich nicht nach einer Klage an oder einem Klagelied. Vielmehr nach einem Lied, das Hoffnung macht und viel ver- spricht: Gottes Barmherzigkeit, nie endende Treue: jeden Morgen neu! Wir haben eingangs ein Lied gesungen, das diesen Text als Grundlage hat.

All Morgen ist ganz frisch und neu
des Herren Gnad' und große Treu;
sie hat kein End' den langen Tag,
drauf jeder sich verlassen mag.

Ein Mut machender Text - eine fröhliche Melodie. Beide stammen aus dem 16. Jahrhundert, aus einer spätmittelalterlichen Welt, geprägt von Kriegen, von Epidemien wie der Pest und Glaubensstreitigkeiten. In diese Welt bricht in der Reformation ein neuer Glaube auf, der sich den Schrecken des Daseins stellt und gleichzeitig solch ein Lied entstehen lässt: Ein Mut ma- chender Text - eine fröhliche Melodie. - Auf mich wirkt das alte Lied frisch wie der Morgen. So hatte ich übrigens den Text ursprünglich verstanden: All Morgen – also: jeder Morgen ist ganz frisch und neu – klar, der Morgen ist frisch, frisch wie frisch gebrühter Kaffee, wie die frischen Brötchen, frisch, wie die frisch gedruckte Zeitung und die Luft, wenn man morgens das Haus verlässt. Wer bewusst auf die folgende Zeile achtet, merkt aber, dass etwas anderes gemeint ist: All Morgen ist ganz frisch und neu ... und weiter: des Herren Gnad' und große Treu; GottesGnade und große Treu, frisch ausgeteilt am Morgen: darum geht ́s. Es lohnt sich also, weiter

zu hören, über den ersten Eindruck hinaus, sonst kommt es leicht zu Missverständnissen. Ganz typisch bei Liedern übrigens, man versteht nur die Hälfte vom Text und reimt sich irgendwas zusammen.

Unser Predigttext wird auch als Lied bezeichnet. Auch hier sollte man nicht nur weiterhören, sondern auch einmal davor schauen. Auf die Frage, warum denn Klagelied, bekommt man so schnell eine Antwort. Direkt vor unserer fröhlichen Morgengnade finden sich Zeilen, die es in sich haben:

Ich bin der Mann, der Elend sehen muss
durch die Rute seines Grimmes.
Er hat mich geführt und gehen lassen in die Finsternis
und nicht ins Licht.
Er hat seine Hand gewendet gegen mich
und erhebt sie gegen mich Tag für Tag.
Er hat mir Fleisch und Haut alt gemacht
und mein Gebein zerschlagen.
Er hat mich ringsum eingeschlossen
und mich mit Bitternis und Mühsal umgeben.
Er hat mich in Finsternis versetzt wie die,
die längst tot sind.
Er hat mich ummauert,
dass ich nicht herauskann,
und mich in harte Fesseln gelegt
.“

So geht es über insgesamt 21 Verse bis sich dann der Ton wendet und es schließlich heißt: Die Güte des HERRN ist's, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß.“ Das Lied, was hier gesungen wird, klingt als Ganzes etwas anders. Tatsächlich haben wir es mit einer engen Verzahnung von ergreifender Klage und Trostworten zu tun. Im hebräischen Original bilden alle Abschnitte des Klageliedes eine Einheit. Es ist ein Alphabetgedicht, dessen Verse in einer kunstvollen po- etischen Form zusammenwirken. Das eine kann man nicht vom anderen lösen. Manches Mal und so auch hier merke ich auf, wenn ich das Häppchen betrachte, das aus den Bibeltexten als Predigttext herausgeschnitten wurde. Und frage mich, ob das so sinnvoll ist. Vielleicht wollte man es für uns verdaulicher machen. Schöne, tröstende Worte sind gefragt, - die kla- genden davor klammert man aus. Ist das eigentlich eine gute Idee? Wie ist das, wenn ein Mensch Trost braucht? Wie soll ein Mensch echten Trost finden, wenn er nicht klagen darf? Oder andersherum: Wie kann ein trauriger Mensch - von mir, von Ihnen - getröstet werden, wenn wir nicht auch seine Klage anhören?

Es gibt da einen kleinen Witz zum Thema: Treffen sich zwei Staatsanwälte, fragt der eine: Wie geht ́s? Der andere: Kann nicht klagen! - Der erste wiederum: Was, so schlimm?

„Kann nicht klagen!“ Das ist so eine norddeutsche Redewendung, ein Spruch eines bescheide- nen Menschen, dem es im Grunde genommen gut geht, der aber damit nicht prahlen möchte. Schön für ihn oder sie. Es ist aber auch okay, wenn man etwas zu klagen hat, dies auch zu tun. Aus mehreren Gründen. Zum Einen: Wer klagt, der rechnet damit, dass sich etwas ändern kann. Er rechnet mit einem guten Ausgang. Er hat den Anspruch an die Situation, dass sie sich zum Guten wende. Er rechnet mit Unterstützung! Er zieht - wenn es gut geht - aus der Klage die Kraft, die Ärmel hochzukrempeln, um seinen Beitrag zu leisten. Das ist der Unterschied zum Jammern. Der Jammerer hat Freude am Rumgejammer und möchte im Grunde gar keine Veränderung.

Es ist okay, wenn man etwas zu klagen hat, dies auch zu tun. Ein weiterer Grund spricht dafür: Es tut einfach gut, einer vertrauten Person mal richtig die Ohren voll zu heulen, alles abzula- den. Das mutet man nicht jedem zu. Wohl dem, der einen Vertrauten hat, bei dem das möglich ist. Bei dem man sich fallen lassen kann, nicht stark sein muss. Keine Fassade aufrechterhalten muss. Wohl dem, der eine Vertraute hat, die selbst stark genug ist, mein Leid mitzutragen, mich zu ertragen. Das ist so tröstlich. So ein Vertrauter ist für den Beter unseres Klageliedes: Gott. Ihm kann man alles zumuten. Ihm mutet er alles zu. Ihn selbst klagt er an. Und doch: Gottes Ohren, sein Herz, dabei immer offen, immer freundlich zugewandt. So hat es der Beter empfunden. Denn der HERR ist freundlich dem, der auf ihn harrt, und dem Menschen, der nach ihm fragt.

Sich einem guten Herz anzuvertrauen, ist eine Sache, intim, persönlich. Sie hat ihren Raum im Gespräch unter vier Augen, im stillen Gebet. Es gibt auch die gemeinsame öffentliche Klage. Das hat man in Leipzig Anfang des Jahres in einem ökumenischen Gottesdienstprojekt ver- sucht. Ich habe Bilder davon im Netz gefunden: In der katholischen Propsteikirche stapeln sich vor dem Altar rote Hohlziegel. In deren Öffnungen stecken kleine Zettelchen. Menschen ha- ben darauf ihre Nöte geschrieben und sie in die "Klagewand" gesteckt. Ebenso in der evange- lischen Peterskirche wenige hundert Meter entfernt. Das Ritual lässt an die Klagemauer in Jerusalem, an die jüdische Tradition denken. Im wöchentlichen Wechsel fand in beiden Kir- chen über 10 Wochen immer freitags eine "Klagezeit" statt. Per Livestream und Chatfunktion konnte jeder daran teilnehmen und seine Worte mit einbringen. Hier wurde der Wert der Klage erkannt. Und sie hat ein eigenes Format bekommen. Wie in unserem kunstvoll kompo- nierten biblischen Klagelied. Auch das ist eine Möglichkeit: Die Klage in eine Form zu gießen, ihr einen Ort und eine Zeit zu geben. Sie ernst zu nehmen, gleichzeitig nicht ausufern zu lassen und ertragbar zu machen.

Für viele findet das persönliche Klagelied seinen Platz, seinen Ort und seine Zeit im Abendge- bet. Da kommen auch manchmal Tränen, und man mag sich gar nicht dem Schlaf hingeben. Gut kann ich mich erinnern, wie ich als Kind schließlich doch weinend und vor Erschöpfung eingeschlafen bin. Irgendwann schläft man immer ein. Und dann passiert mitunter über Nacht eine wunderbare Verwandlung. Der Morgen kommt, man erwacht, und irgendwie, ist alles leichter. Die Probleme sind nicht weggewischt, nein, das könnte keiner behaupten. Aber sie fühlen sich kleiner an, leichter. Ich selbst bin leichter geworden. Das Morgenlicht hat mich geweckt. Der Kaffee duftet, der Frühstückstisch ist gedeckt. Ich öffne die Fenster und spüre die kühle Morgenluft. Ich spüre eine neue Kraft in mir wachsen. Gottes frische Morgengnade hat mich ergriffen. Gottes Treue hat mich neu gefunden. In dieser Nacht, an diesem Morgen: Ich habe nichts gemacht und nichts geleistet. Und doch spüre ich diese neue Kraft, in die Welt zu gehen und mich der Welt zu stellen. Gottes Gnade: Sie reicht vom Morgen bis zum Abend, im Leben und über unser Leben hinaus.

All Morgen ist ganz frisch und neu
des Herren Gnad' und große Treu;
sie hat kein End' den langen Tag,
drauf jeder sich verlassen mag.

Zu wandeln als am lichten Tag,
damit, was immer sich zutrag,
wir steh'n im Glauben bis ans End'
und bleiben von dir ungetrennt.

Amen.

Wann beginnt eigentlich der neue Tag? Als Grundschulkind war für mich die Sache relativ klar. Meine Mutter weckte uns, in dem sie die Tür zu den Kinderzimmern öffnete und rief: Aufstehen, Schule! Das war das Signal. Als ich dann selbst Mutter wurde, patschte mir manchmal eine Kinderhand fröhlich ins Gesicht. Halb sechs. Das Baby ist munter! Der Tag beginnt. In der Winterzeit, so wie heute, beginnt der Arbeitstag nicht selten im Dunkel. Da fällt einem das Aufstehen schwer. Ein neuer Tag, da sollte es hell sein, finde ich! Licht macht mich munter. Wann beginnt eigentlich der neue Tag genau? Im Judentum gibt es eine ganz eigene Sicht auf die Frage: Der neue Tag beginnt immer am Vorabend. Schabat, der heilige Feiertag der Woche dauert von Sonnenuntergang am Freitag bis zum Eintritt der Dunkelheit am folgenden Samstag. Das ist ja erstaunlich, habe ich gedacht, als ich davon zum ersten Mal hörte. Meine Sicht auf die Zeiteinteilung hielt ich für unverrückbar, für gegeben, ich hielt sie für wahr. Sollte ein Tag vielleicht auch wann ganz anders beginnen können? Eine vergleichbare Tradition zur jüdischen Vorstellung finden sich bei uns Christen in der Heiligen Nacht, die wir am Vorabend von Weihnachten feiern.

Bleiben wir erst einmal beim frühen Morgen. Am schönsten beginnt man sein Tagwerk natürlich ausgeschlafen, nach traumlosem, ruhigem Schlaf. Aber nicht wenige unter uns kennen auch die anderen Nächte. Solche, die sich unendlich ziehen. Man liegt wach und lauscht in die Stille. Wann wird es endlich dämmern? Sorgen halten einen wach. Knochen schmerzen. Grübelnde Gedanken kreisen. Wieviel Uhr mag es sein? Eine Autotür klappt, eine Turmuhr schlägt. Erst 4 Uhr, oder schon 5? Ein Lichtstreif unter dem Rollo. Die Dämmerung wird herbei gesehnt. Das aufgehende Licht ist wie ein Kipppunkt, der ein neues Leben einleitet.

Jochen Klepper hat in seinem Gedicht „Die Nacht ist vorgedrungen“ genau diese Zeit, solch eine Zwischenzeit beschrieben. In der eine Wende fällt, ein Kipppunkt zwischen Nacht und Tag. Ein „In-der-Nacht-sein“ und gleichzeitig schon den Tag spüren. Sein Gedicht wurde von Johannes Petzold vertont und ist für diesen Sonntag als Lied des Tages vorgeschlagen. Im Gesangbuch die Nummer 16. Lassen Sie uns gemeinsam die ersten beiden Strophen singen, Strophe 1+2.

1) Die Nacht ist vorgedrungen,
der Tag ist nicht mehr fern!
So sei nun Lob gesungen
dem hellen Morgenstern!
Auch wer zur Nacht geweinet,
der stimme froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet
auch deine Angst und Pein.

2) Dem alle Engel dienen,
wird nun ein Kind und Knecht.
Gott selber ist erschienen
zur Sühne für sein Recht.
Wer schuldig ist auf Erden,
verhüll nicht mehr sein Haupt.
Er soll errettet werden,
wenn er dem Kinde glaubt.

Wann beginnt eigentlich der neue Tag? Es ist wohl so, dass man es nicht genau wissen kann. Schon gar nicht, bevor es tatsächlich passiert. Klepper nimmt uns in seinem Gedicht erst einmal ganz tief in diese Nacht mit hinein. Die Nacht ist vorgedrungen, das hört sich für mich nach tiefster Finsternis an. Es ist ein Bild für eine Lebenssituation, in der sich ein Mensch hilflos und ohnmächtig empfindet. Der Moment, in dem man nur noch schwarzsieht und keinen Ausweg mehr weiß. Für Klepper war es das Dunkel des nationalsozialistischen Unrechtsregimes, das ihn selbst, seine jüdische Frau und seine Stieftochter verfolgt hat. Aber schon im zweiten Halbsatz „der Tag ist nicht mehr fern“ öffnet Klepper einen Horizont, in einen neuen Tag hinein! Wie ist das möglich? Das Weihnachtsgeschehen, der Stern von Gottes Geburt, der helle Morgenstern, leuchtet in dieser Dunkelheit hinein. Die Engel, das Kind im Stall: Gott wird Mensch, ist bei uns auf Erden: Die Erinnerung an das Weihnachtsgeschehen gibt ihm Trost und Hoffnung. Ganz tief ins Dunkel hineinsteigen, und im Glaubenslicht in den neuen Tag zu treten: Das ist das Motiv des Liedes.

Ich denke an die menschliche Erfahrung, dass es mitunter ganz tief unten nach unten geht, vielleicht gehen muss, bevor es auch wieder aufwärts gehen kann. In dieser Zwischenzeit, dieser Zeit zwischen Depression und neuem Lebensmut passiert etwas. Es geht einem sozusagen ein Licht auf. So kann es nicht weitergehen. Vielleicht waren Sie selbst einmal in einer solchen Lage. Vielleicht während einer Beziehung. Oder im Beruf. Da ist ein Mensch chronisch überfordert. Aber er hat das Gefühl, den Erwartungen des Partners und der Gesellschaft entsprechen zu müssen. Er oder sie hat das Gefühl, es irgendwem schuldig zu sein. Macht weiter, hält durch und hofft, dass es irgendwie von selbst besser wird. Bis es dann nicht mehr weitergeht. Manchmal ist es eine Krankheit, ein einschneidendes Ereignis, was einen zur Besinnung bringt. Man besinnt sich darauf, was einem wirklich wichtig ist und gut tut. In der vorher ausweglosen Situation zeigen sich im neuen Licht plötzlich ganz neue Möglichkeiten. Jochen Klepper sieht die Weihnachtsbotschaft als Versprechen Gottes, dass unser Leben in aller Tiefe immer eine Chance hat, heil zu werden. Wir singen die Strophen 3+4.

3) Die Nacht ist schon im Schwinden,
macht euch zum Stalle auf!
Ihr sollt das Heil dort finden,
das aller Zeiten Lauf
von Anfang an verkündet,
seit eure Schuld geschah.
Nun hat sich euch verbündet,
den Gott selbst ausersah.

4) Noch manche Nacht wird fallen
auf Menschenleid und -schuld.
Doch wandert nun mit allen
der Stern der Gotteshuld.
Beglänzt von seinem Lichte,
hält euch kein Dunkel mehr,
von Gottes Angesichte
kam euch die Rettung her.

Schwierige Lebenssituationen lösen sich nicht selten zum Guten auf. Gott sei Dank! Doch das Happy End ist kein Dauerzustand. Noch manche Nacht wird fallen. Das Leben zeigt sich als ein Auf und Ab von Traurigkeiten und freudigen Erlebnissen und. Nicht selten liegen sie kurz hintereinander, oder sogar übereinander und ineinander verwoben. Bangen und hoffen, weinen und lachen. Wie es auch kommt, eines ist sicher: Der Stern der Gotteshuld begleitet unsere Lebensreise. Eine Wende zum Guten ist jederzeit möglich.

Zeit zwischen Nacht und Tag. Eine solche Wendezeit ist im Kirchenjahr der Advent. Wir richten uns neu aus, hin zum Licht von Betlehem, zum Kind in der Krippe. Eine Wende hin zum guten Auskommen mit sich selbst und mit seinen Mitmenschen. Dafür ist der Advent die richtige Zeit. Viele Menschen spüren das. Sie schmücken ihre Wohnungen, sie hängen Lichterketten auf und stellen Leuchtbögen in die Fenster. Man mag es belächeln, aber ich habe beschlossen, mich schlicht daran zu freuen. Denn hinter der Dekoration steht auch der Wille, die Welt etwas schöner und besser zu machen. Nicht nur für sich, auch für die anderen. Wenn ich bedenke, dass immer wieder Menschen mich im Advent mit Keksen und Karten und kleinen Geschenken bedenken, oftmals steht noch nicht einmal der Name an den Päckchen. - Nicht umsonst ist der Advent die Zeit der Spenden. Im Pandemiejahr 2020 stiegen die Spendeneinnahmen besonders stark. Die Deutschen haben unglaubliche 5,4 Milliarden Euro gespendet. (Das ist das zweitbeste Ergebnis seit Beginn der Erhebung.) Am meisten gespendet wurde in den Monaten des Lockdowns und - im Dezember. Eine Lebenswende hin zum Guten. Das wünsche ich mir für Sie, für mich. Für unser Land. Gerade auch in diesem „Corona-Advent“. Ich wünsche mir, dass die neue Bundesregierung Kraft findet, die Jahrhunderthemen Klimaschutz und Soziale Gerechtigkeit anzupacken. Ich wünsche mir, dass es gelingt, die Pandemie in den Griff zu bekommen. Ich wünsche mir mehr Impfstoff und mehr Impfwillige und Achtung für Andersdenkende. Und ich wünsche uns allen die Erkenntnis, dass es letztlich nicht unser eigenes Licht ist, das die Welt bescheint, sondern Gottes Licht. Lassen Sie uns die Letzte, die 5. Strophe singen:

5) Gott will im Dunkel wohnen
und hat es doch erhellt.
Als wollte er belohnen,
so richtet er die Welt.
Der sich den Erdkreis baute,
der lässt den Sünder nicht.
Wer hier dem Sohn vertraute,
kommt dort aus dem Gericht.

Auch in der letzten Strophe lässt Klepper nicht ab von seinem zentralen Motiv: Hineinbegeben in das Dunkle und gleichzeitig dort ein Licht entzünden. Gott will im Dunkeln wohnen. Ein starker Satz! Gott will gerade bei denen sein, denen es schlecht geht und die verzweifelt sind. Wenn Gott dort wohnen will, dann müssen wir - im Advent! - auch da rein gehen und unsere Augen nicht verschließen! Gott wohnt bei den Ausgebrannten, bei den Obdachlosen unter der Brücke und er wohnt in den Flüchtlingslagern auf Lesbos und an der Grenze von Belarus und Polen. Gott als Mitbewohner ist kein tatenloser. Alle Menschlichkeit, die in diese Situationen hineingetragen wird, ist ein Licht Gottes, das das Leben erhellt. Jedes Stück Brot, jedes gute Wort ist ein Stück Brot aus Gottes Hand, ist ein Wort aus göttlichem Mund, ist ein Engel, der in die Tiefe der Nacht tritt und spricht: Fürchte dich nicht!

Wann beginnt er denn nun, der neue Tag? Für mich? Vielleicht jetzt? Vielleicht gerade jetzt! Ja, dann möchte ich es nicht verpassen. Dann muss ich jetzt unbedingt, ja, Schluss machen. Und hinabsteigen von der Kanzel. Singen. Eine Kerze anzünden. Den alten Onkel nicht vergessen! Mich selbst nicht vergessen. Ich wünsche Ihnen einen frohen, einen leuchtenden Advent! Amen.

Als Wissende wurden sie bezeichnet. Viel hatten sie sich angeeignet. Sie hatten gelernt und geforscht, gelesen und nachgedacht. Ihr Wissensdurst war unerschöpflich. Doch dann ein Rätsel. Konnte es möglich sein? Sie schauten in den Himmel, es war ganz deutlich. Gestern war er noch nicht da und heute überstrahlte er alles. Ein neuer Stern! - Sie mögen Freunde/Kollegen gehabt haben, ebenso wissbegierig, ebenso gelehrt. Doch diese blieben in ihrem Hamsterrad der alltäglichen Gewissheiten. Sie nicht! Sie, die drei Weisen aus dem Morgenland. Packten ihre Sachen und machten sich auf den Weg. Folgten dem Stern. Wussten nicht, wohin der Weg sie führen würde, wann sie ankommen würden oder ob überhaupt.  Es drängte sie, dem Geheimnis hoch am Himmel auf die Spur zu kommen. Nichts konnte sie auf ihrem Weg aufhalten.

Liebe Brüder und Schwestern! Die drei Weisen, die nichts weiter hatten als den Stern am Himmel und eine alte Prophezeiung, erreichten ihr Ziel. Ohne Sicherheitsnetz, ohne einen Beweis, dass ihr Vorhaben auch Erfolg haben würde, gingen sie dem Geheimnis nach. Sie erreichten ihr Ziel, sie fanden das Kind, doch war damit alles klar? Was für ein geheimnisvolles, unerklärliches Geschehen! Gott wird Mensch. Gott kommt zu uns - als Kind - in einem Stall, bedürftig und gleichzeitig mit aller Macht versehen. Alles das ist auch für uns noch ein Geheimnis. Wer könnte das mit seinem Verstand erfassen? Und wie können wir davon erzählen?

Paulus schreibt dazu an die Gemeinde in Korinth (Kapitel 2, die Verse 1-10):

1Auch ich, meine Brüder und Schwestern, als ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten oder hoher Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu predigen. 2Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, ihn, den Gekreuzigten. 3Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern; 4und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten der Weisheit, sondern im Erweis des Geistes und der Kraft, 5auf dass euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft. 6Von Weisheit reden wir aber unter den Vollkommenen; doch nicht von einer Weisheit dieser Welt, auch nicht der Herrscher dieser Welt, die vergehen. 7Sondern wir reden von der Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist, die Gott vorherbestimmt hat vor aller Zeit zu unserer Herrlichkeit, 8die keiner von den Herrschern dieser Welt erkannt hat; denn wenn sie die erkannt hätten, hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt. 9Sondern wir reden, wie geschrieben steht (Jesaja 64,3): »Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.« 10Uns aber hat es Gott offenbart durch den Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen Gottes.

Wissen oder Glauben, liebe Schwestern und Brüder? Neben dem Geheimnis, was verborgen und doch offenbart ist, bringt Paulus ein weiteres Thema zur Sprache: die Weisheit, Menschenweisheit. Andere Worte für diesen Begriff wären: Bildung, Wissen, Gelehrtheit, aber auch Erfahrung und Erkenntnis. Ich denke, die meisten unter uns sind stolz und froh, eine Schulbildung erhalten zu haben. Dazu meist eine Ausbildung, vielleicht konnten Sie auch studieren. Für mich jedenfalls ist Bildung ein wichtiges Thema. Ursprünglich bin ich Naturwissenschaftlerin, geübt in Logik, Zahlen, Struktur, Beweisen und Nachweisen. Dieses Denken prägt bis heute meine Wahrnehmung der Welt. 

Für Paulus hat im Glauben alles Wissen der Welt keine Bedeutung. Auch nicht das Super-Spezialwissen, das die Herrscher der Welt vorgeben zu haben. All diese Herrscher werden früher oder später verschwinden. Ob wir sie mögen oder nicht, gewählt oder verflucht haben: Die Obamas, die Trumps, sogar Helmut Kohl, der ewige Kanzler meiner Kindheit und eine Angela Merkel: Sie vergehen, und mit ihnen ihre Erfahrung. Herrscher vergehen, das Wissen der Welt vergeht. Was ist mein Wissen über Schule oder über die Berufswelt noch wert angesichts der rauschenden Veränderungen, in der unsere Kinder bestehen müssen. Paulus findet, man sollte sich nicht zu viel auf sein Wissen einbilden. Allein Jesus Christus ist es, woran er sich festhält. Jesus Christus, der Gekreuzigte. Treu bis in den Tod hinein und darüber hinaus. 

Wer kann das verstehen? Ein Gelehrter oder vielleicht eher - ein Kind? Mir kommt da Mattes in den Sinn. Mattes, ein Freund meines Sohnes, saß als Fünfjähriger bei uns am Frühstückstisch. Ostern stand kurz bevor und Mattes hatte eine Erkenntnis, die er uns Cornflakes kauend und so ganz im Nebenbei mitteilte: O-Ton Mattes: Wisst ihr was: Sie haben ihn umgebracht. Und jedes Jahr steht er wieder auf!  - Hmh. Okay?! Meine Einwände angesichts dieser Kindertheologie habe ich runtergeschluckt. Jedes Jahr, na ja, das kann man so nicht sagen. Das musst du so verstehen:… Nein, lieber nichts sagen. Und staunen. In einem Satz zusammengefasst: Passion und Auferstehung. Sie haben ihn umgebracht. Keine hohen Worte. Und jedes Jahr steht er wieder auf! Keine große Rhetorik. Diese Vorstellung erschien Mattes gewaltig und gleichzeitig war es für ihn beruhigend.

Schwach und unwissend wie ein Kind stellt sich Paulus da. Ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern. Dabei war er ein hochgebildeter, vielsprachiger, weitgereister Mann. Ebenso wie die Weisen hatte er sich aufgemacht, das Geheimnis zu ergründen und davon in aller Welt zu berichten. Bildung hat er nicht grundsätzlich verachtet. Es war wohl die Erkenntnis, klein zu sein angesichts der Größe seiner Aufgabe. Demütig fühlte er sich angesichts der Bedeutung und des Inhaltes der Botschaft. Nie würde er alles verstehen können. Nie würde er alles so rüberbringen können, dass ihn die Welt verstünde. Gutes Aussehen, kluge Worte und geschliffene Rhetorik: Das war es nicht, was er mitzubringen hatte. Er kam mit einen gewichtigen, starken Inhalt. 

In einer Welt, in der eine gelungene Selbstdarstellung so viel bedeutet, ist das auch heute eine Besonderheit. Klar, die Stars und Sternlein werden überwiegend für ihre Optik bezahlt. Für das perfekte Outfit und den flotten Spruch. Aber auch in anderen Bezügen ist eine gefällige Oberfläche und Rhetorik gefragt. Nicht zuletzt in der Ausbildung von Pastoren und Prädikantinnen. Liturgische Präsenz nennt man das. Ja, auch ich mag das. Ein sympathisches Äußere ist mir angenehm, die gesetzte Rede gut zu hören. Aber was ist mit dem Inhalt, dem Gehalt der Aussagen? Früher oder später werden wir doch am Inhalt unserer Aussagen gemessen. Ich finde, es ist ein gutes Zeichen für unsere Gesellschaft, wenn sich bei uns immer wieder leitende Politikerinnen oder prominente Wissenschaftler dem Druck der perfekten Selbstdarstellung entziehen. Sie erscheinen mit den ewig gleichen Klamotten oder einer unmöglichen Frisur vor der Kamera, und erklären in eintönigem, unaufgeregtem Tonfall ihre Position. Meist sind das die gleichen Personen, die auch erkennen, wo ihre Grenzen sind und die gehen, wenn ihre Zeit abgelaufen ist. 

Wer Inhalte vertritt, wer wirklich etwas weiß und Gewichtiges zu sagen hat, der kennt auch die Grenzen seines Wissens. Des Wissens überhaupt. Der erkennt auch, dass man irgendwann mehr braucht als Menschenweisheit. Nämlich: Vertrauen, Hoffnung, Glaube, Liebe, auch Vergebung. Denn das passiert auch immer wieder. Man stößt mit all seiner Weisheit und Lebenserfahrung an seine Grenzen. Ich bin mit meinem Latein am Ende. Da gibt es keine Daten und Fakten mehr, die mir weiterhelfen und keine Prognose, die verlässlich ist. Meine Jahresplanung und vielleicht sogar meine Lebensplanung sind hinfällig. An so einem Punkt im Leben kommen die meisten irgendwann. Es ist dann wunderbar zu erfahren, dass hier nicht Schluss ist. Sondern, dass das, was Gott uns zugesprochen hat, weiterhin gilt. 

Ich bin bei dir alle Tage bis ans Ende der Welt. 

Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid.

Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein.

Sei getrost, deine Sünden sind vergeben.

Ich muss gar nicht alles wissen und auch gar nicht so tun, als ob ich etwas wüsste. Fehler unterlaufen mir immer wieder. Das gehört zu mir und darf so sein. Und trotz allem und gerade deswegen erfahre ich Liebe und Zuwendung. Und bin selbst in der Lage, Zuwendung zu geben. Ich erkenne, dass Gottes Liebe ein wunderbares Geheimnis ist, das mir nicht völlig verborgen ist, sondern sich zeigt. Ganz vorsichtig lüftet sich der Vorhang, hin und wieder. Paulus erklärt uns am Ende seines Briefes noch einmal dieses Geschehen:

12Jetzt sehen wir alles nur wie in einem Spiegel und wie in rätselhaften Bildern. Wenn ich jetzt etwas erkenne, erkenne ich immer nur Bruchstücke, einen Teil des Ganzen. Aber eines Tages werden wir ´Gott` von Angesicht zu Angesicht sehen; dann aber werden wir alles so erkennen, wie Gott uns jetzt schon kennt.

Bruchstücke kannten auch nur die drei Weisen aus dem Morgenland. Weise Männer waren sie, denn sie waren sich ihrer Unwissenheit bewusst. Sie hatten nichts weiter als einen Stern und eine alte Verheißung. Sie vertrauten den alten Worten und gingen voran. Tatsächlich wissen wir schon mehr als die Weisen damals. Wir wissen wie die Geschichte weitergeht mit Jesus. Vieles bleibt uns weiterhin verborgen. In vielem bleiben wir unwissend und schwach. Das muss uns nicht sorgen. Denn die allumfassende Erkenntnis ist da, wo sie hingehört. Geborgen bei Gott, im Geheimnis des Glaubens. Amen.

Predigten vom Geistlichen Vizepräsidenten i.R. Arend de Vries

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen. 

Wir hören den Predigttext für den Sonntag Invokavit, dem ersten Sonntag der Passionszeit, aus dem 2. Korintherbrief des Paulus: 

Als Mitarbeiter aber ermahnen wir euch, dass ihr nicht vergeblich die Gnade Gottes empfangt.
Denn er spricht: »Ich habe dich zur willkommenen Zeit erhört und habe dir am Tage des Heils geholfen.« Siehe, jetzt ist die willkommene Zeit, siehe, jetzt ist der Tag des Heils! 

Und wir geben in nichts irgendeinen Anstoß, damit dieser Dienst nicht verlästert werde; sondern in allem erweisen wir uns als Diener Gottes: in großer Geduld, in Bedrängnissen, in Nöten, in Ängsten, in Schlägen, in Gefängnissen, in Aufruhr, in Mühen, im Wachen, im Fasten, in Lauterkeit, in Erkenntnis, in Langmut, in Freundlichkeit, im Heiligen Geist, in ungefärbter Liebe, in dem Wort der Wahrheit, in der Kraft Gottes, mit den Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken, in Ehre und Schande; in bösen Gerüchten und guten Gerüchten, als Verführer und doch wahrhaftig; als die Unbekannten und doch bekannt; als die Sterbenden, und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten und doch nicht getötet; als die Traurigen, aber alle- zeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viele reich machen; als die nichts haben und doch alles haben. 

Liebe Gemeinde, 

Die Farbe der Passionszeit ist das Violett. Blau ist darin und rot.
Das Göttliche und das Menschliche.
Das Meer ist blau und vor allem der Himmel. Weit und groß. Ich kann ihn nicht erfassen, wenn ich nur eben einmal nach oben schaue. Ich muss mir Zeit nehmen, den Blick schweifen lassen von einem Ende des Horizontes bis zum anderen. Himmelblau. Gottesblau. 

Rot ist die Farbe des Menschen. Unser Blut ist rot und unser Mund. Die Lippen, die Zunge. Mit dem Mund essen wir und reden und küssen wir. Er ist warm und rot. Rot steht für das menschliche Leben, mit allem was dazugehört: Für das Glück, reden zu dürfen und küssen zu können. Aber auch für die Gefahr, sich zu verletzen oder verletzt zu werden, Blut zu schme- cken statt eines Kusses. 

Das Gottes-Blau und das Menschen-Rot kommen zusammen im Violett. In der Farbe der Pas- sion. Sie vermischen sich und werden etwas Neues. Eine neue Farbe. Ein neues Sein. Es be- trifft beide: Gott und Mensch. In der Passionszeit lernen wir, Gott neu zu sehen. Im Gekreu- zigten ihn zu sehen. Wir lernen, uns mit anderen Augen zu sehen. Bedürftiger als wir dach- ten. Geliebter als wir vermuteten. 

Paulus beschreibt im Brief an die Korinther, wie sich das neue Sein für ihn anfühlt. Als einer, der der dem Gekreuzigten nachfolgt. Er schreibt von Angst und von Hunger, von Gefängnis-aufenthalten und durchwachten Nächten. Das ist die eine Seite.
Von dem anderen schreibt er auch. Von Gnadengeschenken: Von Erkenntnis, innerer Stärke und der Fähigkeit zu selbstloser Liebe. 

Und dann bringt er beides zusammen. Eine sonderbare, fast befremdliche Mischung: Wir sind die Unbekannten und doch bekannt. Sterbende, die leben. Traurig, doch voller Freude. Habenichtse – die doch alles haben. 

Wie passt das zusammen? Das möchte ich gerne verstehen. Ich möchte verstehen, wie bei- des zusammengehört: Das Gottesblau und das Menschenrot. Die Traurigkeit und die Freude. Besitzlos zu sein und doch ungeheuer reich. Und deswegen werde ich heute Morgen mit Ihnen in einigen Geschichten umhergehen, die zur Passionszeit gehören. Vierzig Tage lang. In den Geschichten von Jesus und von Paulus. In den Passions-Geschichten von heute. 

Ich gehe in den Passionsgeschichten umher, suche die Freude in der Traurigkeit. Den Reich- tum im Mangel. Und ich finde Jesus in der Wüste. Er hat vierzig Tage gefastet. Er hat Hunger. Einige von uns wissen, wie sich das anfühlt, tagelang nichts oder fast nichts zu essen. Es zehrt an den Kräften. Aber es schenkt auch etwas: Leichtigkeit und Freiheit. Und du spürst eine Macht in dir. Das kann zur Versuchung werden. 

Jesus ist seinen Dämonen in der Wüste begegnet. Es ging um Macht. Jesus hat mit den Dä- monen gekämpft. Und ihnen widerstanden. Er war geschwächt nach dem langen Fasten. Das angebotene Brot wurde zur Versuchung. Und dennoch hat in ihm das Nein gewonnen. Er hat Nein gesagt zu dem dämonischen Angebot. Nein zur Versuchung, die eigene Macht zu miss- brauchen. Jesus hat den Dämonen widerstanden. 

Aber weg waren sie danach nicht. Sie tauchen immer einmal wieder auf in seiner, in unserer Geschichte. 

Eine dieser Dämonen, die die ganze Menschheitsgeschichte geprägt haben, ist der Dämon der Macht. Der Glaube daran, dass der Freiheitswille von Menschen und Völkern unterdrückt werden könne, beherrschbar sei. Und dass diese Beherrschung mit Gewalt, mit Waffen möglich sei. 

Sie tauchen immer wieder auf, diese Dämonen. Auch in den letzten Tagen in Jerusalem. Jo- hannes erzählt, dass es der Dämon aus der Wüste war, der von Judas Besitz ergriff, kurz vor dessen Verrat. Und es war wohl auch eine dämonische Macht, mit der Jesus im Garten Ge- thsemane gekämpft hat, als er noch die Chance hatte, dem Leiden auszuweichen. Und er widerstand. 

Es ist wohl auch eine dämonische Macht, die uns einreden will, dass wir als Christen- menschen gesund und erfolgreich sein werden, so wie es manche Wohlfühlprediger behaupten. Nein, weder das Wasser der Taufe noch die Wegzehrung des Mahles noch der zuversichtliche Glaube bewahren davor, dass ich angefochten, krank, beschädigt werde, gezeichnet von einer Welt und einer Zeit, die noch weit entfernt ist von der Vollkommenheit des Reiches Gottes. 

Und auch der Hunger wird Jesus weiter begleiten. Jesus und die, die mit ihm unterwegs sind, haben oft nicht genug, um satt zu werden. 

Dann versuchen sie, eine Einladung zu bekommen oder sie klauben sich ein paar Getreide- körner zusammen vom Rand eines Feldes. Den Hunger wird Jesus nicht los auf seinen Wan- derungen. Und doch: Nach allem, was uns die Bibel erzählt, konnte er auch Hunger stillen. Menschen satt machen. Mit Brot und Fisch. Mit Geschichten. Oder einfach dadurch, dass er sich zu ihnen setzt und sie so wieder hineinholt in den Kreis der geliebten Töchter und Söhne Gottes. Jesus hat so gut wie nichts in seinen Taschen. Kaum Geld, um sich Essen zu kaufen und weiß am Nachmittag noch nicht, wo er die Nacht verbringen wird. Nichts haben. Und doch so reich, dass er andere beschenken kann. 

Und Paulus? - Manche lachen über ihn in Korinth. Sie lachen, weil er nichts hermacht, schon rein äußerlich. Weil sie in Korinth inzwischen christliche Missionare kennengelernt haben, die viel beeindruckender sind als er: Charisma- tischer, eloquenter, bessere Performer. Solche, die gut durch das Leben kommen – ohne dauernd in Konflikte zu geraten mit den eigenen Leuten. Diese Angriffe werden Paulus ge- schmerzt haben. 

Auch das ein Dämon, den manche von uns wohl nur zu gut kennen.
Menschen, die sich mit der Frage quälen, ob sie gut genug sind für das, was sie tun. Menschen, die an ihren Fehlern und Schwächen leiden und sich selbst nichts verzeihen können. Menschen, die immer wieder anecken, auch in der Kirche. 

Paulus gibt eine Antwort an die, die ihn infrage stellen und vermutlich sagt er es auch sich selbst: Ja, genauso! So, wie ich bin: So unvollkommen und manchmal sogar lächerlich – ge- nauso nimmt mich Gott in seinen Dienst. Denn Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig. In den Mangelhaften und Ungenügenden. In den Geschundenen. In den Traurigen. In den Ar- men. Sie war mächtig in Jesus, dem hungrigen unbequemen Wanderprediger. Sie ist sogar mächtig in einem wie mir. 

Passionsgeschichten. Mehrdeutig sind sie alle. Gemischt aus Freude und Schmerz, Ohnmacht und Kraft, Weite und Verletzbarkeit, aus Gottesblau und Menschenrot. Aber so, dass man eines nicht mehr vom anderen trennen kann. Ich gehe in diesen violett leuchtenden Geschichten umher. In den Geschichten von Paulus, von Jesus. Auch in meinen eigenen. 

Ich suche. Und ahne. Taste. Erwäge.
Passionen eben. Aber auch das ist kein eindeutiges Wort. Es meint nicht nur Schmerzen, sondern auch Hingabe, Leidenschaft und Begeisterung. 

Schaue ich auf die Passionsgeschichte der Ukraine, dann ist da beides: das Leiden, die Schmerzen der Opfer, der Ausgebombten. Und zugleich die Leidenschaft, die Hingabe, das eigene Leben, die Freiheit zu verteidigen. Und ein oft belächelter Präsident, der zu einem Helden wird. 

Passionen. Leid und Schmerz. Und Hingabe und Leidenschaft.
Ich gehe nicht schleppend durch diese Geschichten. Aber langsam. Tastend. Zweifelnd. Und doch gewiss. Und je länger ich umhergehe, desto klarer wird mir: Ich gehöre dazu. Ich bin Teil dieser Geschichte, in der das Göttliche und das Menschliche ineinander verlaufen: blau und rot. Zur Passion. Mit leeren Händen – und doch beschenkt. 

Amen. 

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Hlg. Geistes sei mit Euch allen. Amen.

Liebe Jubiläumskonfirmandinnen und –konfirmanden, liebe Gemeinde,

lang, lang ist’s her, dass Sie vor den Konfirmationsaltar getreten sind: 1974 - 1964 – 1959 – 1954 - 1944. Hier in Nienburg oder vielleicht auch anderswo. Lang, lang ist’s her...

An einem solchen Tag, bei einem solchen Treffen – da werden Geschichten lebendig.
Was ist Ihnen schon alles eingefallen, als Sie sich angemeldet haben für den heutigen Tag? Und auf der Fahrt hierher und zur Kirche?
Das Wiedererkennen. Und „Bist Du es?“
„Wo ist denn eigentlich die – oder der?“
Und auch die, die heute nicht unter uns sind, die Mitkonfirmandinnen und Mitkonfirman- den. So viele, die schon verstorben sind. Andere sind krank und auch schon etwas gebrech- lich und können deshalb heute nicht hier sein. Und wiederum andere, für die ein Wiederse- hen an dem Ort der Konfirmation keine Bedeutung hat, weil sie sich von der Kirche längst verabschiedet haben. Auch sie kommen in unseren Erinnerungen und in unserem Erzählen vor.

Was ist da nicht alles passiert seit der Zeit, als Sie hier in der Kirche St. Martin konfirmiert wurden?
Ich möchte Sie auch heute wieder mitnehmen in eine kleine Zeitreise, erinnern, was damals war in den Jahren, als sie konfirmiert wurden.

1974 Goldene Konfirmation

  Willy Brandt tritt nach der Spionageaffäre zurück, Helmut Schmidt wird Bundeskanzler

  Präsident Nixon stürzt über die Watergate-Affäre

  Die Volljährigkeit wird auf 18 herabgesetzt,

  Die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in der der DDR wird eröffnet.

  Deutschland wird bei der Heim-WM Fußballweltmeister

1964 Diamantene Konfirmation:

Ein bewegtes Jahr:

  Willy Brand wird als Nachfolger von Erich Ollenhauer Vorsitzender der SPD

  Die Olympischen Winterspiele in Innsbruck beginnen mit einer Enttäuschung für die

Deutschen: Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler gewinnen nur die Silbermedaille. Da- für aber Manfred Schnelldorfer die Goldmedaille im Eiskunstlaufen.

  Die Beatles stehen mit ihren Songs auf den ersten fünf Plätzen der US-Hitparade. Das gab es noch nie.

  Bubi Scholz wird Europameister und Cassius Clay, später Muhammed Ali Weltmeister im Boxen.

  Im Herbst gibt es Reiseerleichterungen für Rentner aus der DDR: sie dürfen einmal im Jahr einen Besuch in Westdeutschland machen.

  Lyndon B. Johnson wird neuer Präsident.

  In der UDSSR wird Nikita Chruschtschow aus allen Ämtern entlassen – Leonid Breschnew

wird neuer Parteichef.

1959 Eiserne Konfirmation:

  Bundeskanzler Adenauer will erst Bundespräsident werden, hält Ludwig Erhard aber als Nachfolger nicht für geeignet, zieht seine Kandidatur zurück. So wird Heinrich Lübke neuer Bundespräsident.

  Der Film „Freddy, die Guitarre und das Meer“ läuft in den Kinos an. Wir erinnern uns an „Junge, komm bald wieder“.

  Das Saarland wird endgültig in die Bundesrepublik integriert.

  Der Sowjetunion gelingt es, eine russische Fahne auf dem Mond zu platzieren.

  Die „Blechtrommel“ von Günter Grass erscheint.

  Schon drei Millionen Menschen können das Deutsche Fernsehen sehen.

  Die SPD veröffentlicht ihr neues „Godesberger Programm“.

1954 Gnaden-Konfirmation:

  Der Bundestag beschließt die Gleichberechtigung von Mann und Frau – aber berufstätig darf sie nur werden, wenn sie ihre Pflichten als Mutter und Gattin nicht verletzt.

  In Leipzig versammeln sich 500.000 Menschen zum Evangelischen Kirchentag, darunter auch 100.000 aus der Bundesrepublik.

  Die Bundesrepublik tritt der NATO bei.

  Der Dirigent und Komponist Wilhelm Furtwängler stirbt.

  Und natürlich: Deutschland wird zum ersten Mal Fußballweltmeister.

1944 Brillantene Konfirmation

  Konfirmation im Krieg – Die Rote Armee ist auf dem Vormarsch

  Fast alle Juden aus Südosteuropa sind ermordet: in Ausschwitz über drei Millionen, in

Treblinka 750.000.

  Die Alliierten landen in der Normandie

  Das Attentat auf Hitler misslingt

Lang, lang ist’s her.
Viel Geschichte in diesen Jahrzehnten.

Sie alle haben Ihr jugendliches und erwachsenes Leben in der Bundesrepublik Deutschland verbracht – dem Land, das vor 75 Jahren ein Grundgesetz erhielt. Vor dem Hintergrund der schlimmen Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus, dem millionenfachen Mord an den Jugen, der Ausschaltung der Opposition und der Andersdenkenden, lautet der erste Artikel dieses Grundgesetztes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Und im Artikel 3 heißt es: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“

Das ist die beste Verfassung, die Deutschland je hatte. Aber die Freiheit, die sie gewährt, sie ist in Gefahr. Gruppen, Parteien stellen die Grundrechte von Menschen in Frage. Nutzen wir darum die anstehenden Wahlen, um als Demokratinnen und Demokraten diese demokratie- verachtenden Parteien und ihre Vertreterinnen und Vertreter in die Schranken zu verweisen.

Die Geschichte dieser Jahrzehnte hat Ihre Lebenszeit und Ihre Lebensgeschichte geprägt. Manche von Ihnen sind hier in Nienburg geblieben, andere sind in die Nähe oder die Ferne gezogen.

Neben der großen Geschichte gibt es Ihre ganz persönliche Geschichte. Die Lebensgeschich- te. Wenn Sie an Ihre Konfirmation denken, dann denken Sie an ihr Elternhaus. Für viele von Ihnen war damals die Konfirmation auch der Abschied von der Kindheit, oft auch Abschied vom Elternhaus. Damals änderte sich das Leben mit der Konfirmation, die ja häufig mit dem Schulabschluss zusammenfiel.

Für viele kamen dann die Jahre der Familiengründung. Die ersten Kinder wurden geboren. Es wurde gearbeitet, gebaut, umgezogen. Sicherlich auch viel gefeiert. Silberne Hochzeiten. Die ersten Enkelkinder. Die schönen Seiten der Lebensgeschichte.

Aber auch die dunklen Seiten gehören dazu. An manchen Gräbern haben Sie schon gestan- den. An den Gräbern der Eltern, aber auch der Ehepartner. Manche Kinder wurden Ihnen viel zu früh genommen. Manch einer von Ihnen ist geplagt von Krankheiten. Einige wollten kommen und konnten dann doch nicht.

All das und noch viel, viel mehr gehört zu Ihrer persönlichen Lebensgeschichte. Vieles gleicht sich – aber jeder und jede hat die ganz eigene, unverwechselbare Geschichte.

Und dann gibt es noch eine ganz andere Geschichte, die sich durch die Jahrzehnte durch- zieht. Ich meine die Geschichte Ihrer Konfirmation. Oder besser gesagt: die Geschichte Got- tes mit uns – denn es ist nicht nur unsere Geschichte, sondern auch seine Geschichte mit uns, auf die wir zurückschauen.

50, 60, 65,70, 80 Jahre sind es her, dass Sie konfirmiert wurden. Doch wenn wir an die Ge- schichte Gottes mit uns denken, dann können wir noch weiter zurückgehen. Bei unserer Tau- fe nahm seine Geschichte mit uns den Anfang. Er hat uns, einen jeden, eine jede von uns, in der Taufe zu seinem Kind erklärt. Da hat seine Geschichte unverwechselbar mit jedem von uns begonnen.
Vielleicht ist Ihnen das im Konfirmandenunterricht ja ähnlich gegangen wie vielen der Ju- gendlichen heute: es war nicht immer einsichtig, warum Sie das alles lernen mussten. Der Pastor war damals auch noch viel strenger als heute. Eine Respektperson. Aber damals wie heute sollte der Unterricht hinführen zu der Geschichte, die mit der Taufe ihren Anfang ge- nommen hat. Bei der Taufe haben Ihre Eltern und Pate noch stellvertretend für Sie den Glauben bekannt. Bei der Konfirmation waren Sie es dann selber.
Erinnern Sie sich noch an die Frage, die Ihnen gestellt wurde: „Willst Du in dem Glauben, den Du bekannt hast, bleiben und wachsen?“ Und dann haben Sie Ihr JA gesprochen und die Ge- schichte Gottes mit Ihnen ging weiter.
Und so, wie Ihre persönliche Lebensgeschichte ganz unterschiedlich weiterging, so war das auch mit der Geschichte Gottes mit Ihnen.
Für manchen wurde der Glaube an Gott und die Zugehörigkeit zur Gemeinde zu etwas ganz Wichtigem im Leben, zum Halt, zum Trost, zur Kraft. Ohne das Wort Gottes in der Bibel und

im Gottesdienst, ohne die Losung oder das Kalenderblatt am Morgen wäre manche Situation im Leben so nicht zu tragen gewesen. Manche unter uns haben das so erlebt, wie wir das nachher singen werden: „Bis hierher hat mich Gott gebracht durch seine große Güte“.
Bei anderen verlief die Geschichte Gottes mit Ihnen ganz anders. Manche haben diese Ge- schichte für kürzere oder längere Zeit von Ihrer Seite aus abgebrochen. Manche sind be- wusst aus der Kirche ausgetreten, manche haben inzwischen auch zurückgefunden.

Bei anderen ist die Geschichte allmählich, fast unmerklich versiegt. Andere Dinge wurden wichtiger. Gebetet wurde vielleicht noch an den Betten der Kinder. Später nicht mehr. Und die Kirche war noch an den Weihnachtstagen von Bedeutung. Und so verlor sich die Spur der Geschichte Gottes in Ihrem Leben allmählich und der Glaube geriet in Vergessenheit.

Bei alledem sollten wir nicht vergessen, dass man Einer, manch Eine harte Wege gehen musste. Wege, die Enttäuschung und Verlust mit sich brachten. Vielleicht hat das bei dem Einen oder der Anderen auch dazu geführt, dass er angefangen hat, an Gott zu zweifeln.

Der heutige Tag, die Erinnerung an die Konfirmation, der Gottesdienst, das Abendmahl – all das kann zu einer Station in Ihrem Leben werden, wo die Geschichte Gottes mit Ihnen wie- der sichtbar wird.

Denn das gehört zu dieser Geschichte Gottes mit uns dazu, dass sie von seiner Seite nie zu Ende gegangen ist. Seine Geschichte mit uns geht ein Leben lang und noch über dieses Leben hinaus. Selbst der Tod kann Gottes Geschichte mit uns nicht zu Ende bringen. -
Nun habe ich immer von der Geschichte Gottes mit uns gesprochen. Worum geht es in die- ser Geschichte, was macht diese Geschichte aus?

Das ist in der Tat eine lange Geschichte – aber sie lässt sich doch mit wenigen Worten be- schreiben. Gottes Geschichte mit uns ist, dass er Dir und mir zusagt: „Du bist mein geliebtes Kind. Ich gehe mit Dir. Durch alle Freuden des Lebens, aber auch durch alle tiefen Täler, in guten und in schweren Tagen, in der Jugend so wie im Alter. Das ist seine Geschichte mit uns – diese Zusage hat er seit unserer Taufe nicht zurückgezogen, selbst wenn wir uns weit von ihm entfernt haben.

Gottes Geschichte mit uns. Unsere Geschichte, unsere Lebensgeschichte antwortet darauf. Mit dem Glauben, mit dem Gebet, mit dem Vertrauen, dass er es am Ende gut machen wird. Wenn wir ehrlich sind, ist da in unserer Lebensgeschichte als Antwort auf Gottes Geschichte mit uns oft mehr Kleinglaube als Glaube, mehr Zweifel als Vertrauen, oft auch mehr Verges- sen als Dank.

Doch eines gilt für jeden und für jede von uns: Gott bricht seine Geschichte mit uns nicht ab. Er hält uns fest, lässt uns nicht fallen, verlässt und nicht, selbst wir uns längst abgewandt und ihn vergessen haben, ja, wenn wir meinen, gut ohne ihn auszukommen.

Das zeichnet Gott aus: barmherzig ist er, gnädig, geduldig und von großer Güte. So haben wir es mit den Worten des Psalms 103 gebetet – das nehmen Sie mit von diesem Tag, das möge Sie begleiten auf Ihrem Weg.
Amen.

Predigten von Lektorin Heike Köster

„Und, wie geht es ihnen so?“

Oft hören wir im Gespräch diese Frage, auf die wir meistens auch nur kurz antworten:

„Ganz gut“, „Naja, es muss eben“, ich will nicht klagen“. In solchen kurzen Antworten merkt man, dass das Leben ganz schön viel Kraft kosten kann.

Jeden Tag neu.

Denn an allen Ecken und Enden wird etwas von uns verlangt oder auch gefordert.

Das schnelle Frühstück mit der Familie am Morgen. Der dichte Klausurenplan für die Schüler und Schülerinnen. Aufträge, die im Betrieb abgearbeitet werden müssen. Die Fenster, auf die längst mal wieder das Putzen wartet. Und dann die Preise, die schon wieder angezogen haben. Das Leben kann ganz schön Kraft kosten. Erst recht, wenn man mit einer Traurigkeit in seinem Inneren lebt, weil jemand fehlt, der zu einem gehörte. Weil eine Beziehung kompliziert ist. 

Als wenn einem alle Energie entzogen würde.

So hat sich der Hauptmann von Kapernaum gefühlt, von dem wir im Evangelium gehört haben. 

Die Krankheit seines Knechts hat ihm alle Kraft, allen Mut geraubt.

Und auch der Apostel Paulus kennt dieses Gefühl, schwach und ausgebrannt zu sein. Da ist so viel, was zu erledigen ist – die römische Gemeinde ist unzufrieden, dass er sie noch nie besucht hat.

Da gibt es Gegenwind, und viele der ersten Christen drücken sich in der Öffentlichkeit davor, laut zu bekennen, dass das kleine Kind in der Krippe der Retter der Welt ist – da muss man sich ja schämen.

Ja, das Leben kann ganz schön viel Kraft kosten.

Damals in biblischen Zeiten, und heute bei uns.

Wo kommt die Kraft her?

Und wie lebt man, wenn die Kraft fehlt?

Ich lese den Predigttext: Paulus schreibt an die Römer im 1. Kapitel:

Ich will euch aber nicht verschweigen Brüder und Schwestern, dass ich mir oft vorgenommen habe, zu euch zu kommen – wurde aber bisher gehindert -, damit ich auch unter euch Frucht schaffe wie unter anderen Heiden. Griechen und Nichtgriechen, Weisen und Nichtweisen bin ich es schuldig; darum, soviel an mir liegt, bin ich willens, auch euch in Rom das Evangelium zu predigen. Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen. Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie geschrieben steht: 

„der Gerechte wird aus Glauben leben.“

 

Diese Worte sind ein Mut-Mach-Text. 

Aber nicht, weil Paulus so ein großartiger Mann ist und unser Vorbild darin, kraftvoll durch das Leben zu gehen. 

Sondern, weil Paulus erzählt, was ihm selbst Kraft gibt. Inmitten der Vorwürfe, die er aus Rom hört. Inmitten der Schwachheit der Gemeinden, denen oft – 

wie auch uns – die Kraft fehlt, fröhlich ihren Glauben zu leben. Denn Paulus erzählt von einer Kraft, die ihn trägt, auch, wenn er selbst schwächelt.

Es ist eine Kraft, die um unsere Kraftlosigkeit weiß.

Die Tankstelle für Kraft ist für Paulus das Evangelium:

„Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen.“

In der guten Nachricht von dem Gottessohn, der hier zu uns auf die Erde gekommen ist, steckt eine Kraft, die unseren leeren Kraftspeicher wieder füllt. Auch, wenn fast überall die Weihnachtsbäume abgeräumt und die Weihnachtssterne eingepackt sind, ist das Licht von Jesu Geburt die Kraftquelle, die uns müden und Kraftlosen wieder auf die Beine hilft. 

Eine Kraft, die uns neue Dynamik im Leben schenkt.

Es ist eine Kraft im Evangelium, die kostenlos ist und uns geschenkt wird.

Als Christen brauchen wir alle diese Kraft, die von dem Jesuskind in der Krippe ausgeht. Nicht nur in der Zeit nach Weihnachten, sondern das ganz Jahr über.

Dazu möchte ich Ihnen und Euch von einer Frau berichten, die 1826 in Riga geboren wurde: 

Julie von Hausmann

1862 hat Julie von Hausmann im Alter von 36 Jahren das Lied: „So nimm denn meine Hände“ geschrieben.

„So nimm denn meine Hände und führe mich, 

bis an mein selig Ende und ewiglich…“

So heißt ein bekanntes Kirchenlied, dass sowohl auf Hochzeiten als auch auf Beerdigungen gesungen wird.

Ich persönlich fand es lange Zeit zu gefühlsselig.

Bis ich die Geschichte des Liedes kennenlernte.

Die Frau, die dieses Lied geschrieben hat, hat versucht durch ihren Glauben einen harten Schicksalsschlag zu verarbeiten. Man weiß nicht sehr viel über diesen Verlust, keine Jahreszahl, keinen Namen. 

Aber Julie von Hausmann, dieses wohlbehütete und fromme Mädchen aus dem baltischen Großbürgertum, war verlobt mit einem Pfarrer. Lange hatte sich die Zeit der Verlobung hingezogen, zumal der Geistliche unbedingt als Missionar nach Afrika wollte und lange Zeit unklar war, ob Julie ihn begleiten konnte. 

Viele Schwierigkeiten standen da im Weg: 

die Aufenthaltsgenehmigung für beide, das Visum für die Länder Afrikas, die durchreist werden mussten bis zur Missionsstation, das ungewisse Leben in diesem fremden Land. Nach einiger Zeit beschlossen die beiden, dass der Verlobte erst einmal allein vorausfahren sollte, um alles weitere zu klären, das Heim für sich und Julie vorzubereiten, damit sie dann sofort nach der Ankunft heiraten konnten.

Wieder gingen Monate ins Land, bis auch Julie endliche die Koffer packen konnte und sich mit Sack und Pack gen Afrika aufmachen konnte.

Damals waren es andere Reisen als heute. So ähnlich wie eine Auswanderung auf einen anderen Kontinent müssen wir es uns vorstellen. 

Julie von Hausmann wusste, dass es ein Abenteuer war, auf das sie sich da in Glauben und Liebe eingelassen hatte. Sie bewies Mut. 

Denn so eine Reise ins Ungewisse war ungemütlich und gefährlich. 

Und es war eine Reise ins ziemliche Ungewisse. – 

Aber was tut man nicht alles für die Liebe…? 

Jedenfalls übersteht Julie von Hausmann alle Strapazen und endlich ist der ersehnte Hafen in Sicht. 

Trotzdem war sie nicht gefasst auf das, was sie erlebte, als sie dann an Land ging.

Da stand der Leiter der Missionsstation und musste ihr sagen, dass ihr Bräutigam wenige Tage vorher an einer gefährlichen Infektion gestorben war.

Vom Lebenstraum zu zweit in Afrika, von gemeinsamer Arbeit und gemeinsamen Glauben war nur ein schlichtes Grab geblieben. 

Eine ergreifende Liebesgeschichte mit tragischem Ende!

Noch in derselben Nacht, heißt es, habe Julie von Hausmann die Liedverse geschrieben:

So nimm denn meine Hände und führe mich, 

bis an mein selig Ende und ewiglich.

Zuerst könnte man denken, Julie meint ihren Verlobten.

Aber es ist ein Gebet, 

eine Bitte an Gott, das so weitergeht:

In dein Erbarmen hülle mein schwaches Herz.

Und mach es gänzlich stille in Freud und Schmerz.

Wenn ich auch gleich nicht fühle von deiner Macht,

du führst mich doch zum Ziele, auch durch die Nacht.

„Ich will allein nicht gehen, nicht einen Schritt.

Wo du wirst gehen und stehen, da nimm mich mit.“

So dichtet sie.

Eine Antwort auf den Tod.

Eine Antwort auf die Liebe.

Eine Antwort auf die Frage: was nun?

Julie vermisst ihren Verlobten.

Sie würde in diesem Moment am liebsten auch sterben.

Aber zugleich legt sie ihr Leben in Gottes Hand.

Gott wird sie führen.

Da ist sie sich sicher: GOTTES Liebe bleibt.

Dieses Vertrauen in Gottes Liebe und Treue müssen und dürfen wir nicht anzweifeln, das ist mir beim Hören und Singen des Liedes und dem Wissen um das Schicksal Julie von Hausmann klargeworden.

In jeder Verzweiflung, Notlage und Angst, auch in diesen Zeiten mit Corona, Krieg in Europa und an anderen Stellen in der Welt, Klimawandel, Frauenfeindlichkeit, Rassismus, Inflation können und müssen wir auf Gottes Liebe vertrauen. 

Die Hoffnung dürfen wir nicht aufgeben und müssen zuversichtlich sein.

Ein Bleiben für Julie in Afrika war nicht möglich, und so musste sie nach kurzem Aufenthalt nach Europa zurückkehren und ihr Leben neu ordnen.

Wie es mit Julie von Hausmann weiterging bis zu ihrem seligen Ende, kann uns auch etwas davon sagen, was zum guten Prozess der Trauer wichtig ist:

Sie war an sich, aber vielleicht auch durch die Ereignisse in ihrem Leben ein verschlossener Mensch, eine Frau, die auf andere nur schwer zugehen konnte und anderen in der Öffentlichkeit oft eine Abfuhr erteilte.

Die Menschen aber, zu denen sie ein herzliches, ungezwungenes Verhältnis hatte, waren ihre fünf Schwestern. Einer hat sie jahrelang den Haushalt geführt. 

Zu einer anderen zog sie dann 1870 nach St. Petersburg und wurde Hausdame in deren Internatsschule. Diese Aufgabe hat sie viele Jahre versehen und sie dann wohl auch innerlich zur Ruhe kommen lassen. 

Menschen, die sie stützten, die sie aufnahmen nach diesen bewegten Jahren, die Schwestern als neue Lebenspartnerinnen und eine Freundin, der sie sich im Glauben und auch im Leben tief verbunden gefühlt hat, das alles hat Julie wohl gerettet vor ihrer inneren Nacht. 

Also nicht nur Gott, sondern auch konkrete Menschen, die ihr eine Aufgabe stellten, die sie forderten, haben ihr geholfen.

Manche Menschen werden im Prozess der Trauer sogar sehr kreativ. Alles, was sie empfinden an Schmerz, an Fragen und Antworten, muss dann raus.

Tagebucheintragungen, Briefe, Stoßgebete, gemalte Bilder, sie geben der Seele Ausdruck und führen so wieder ins Leben, zur Gesundung zurück. 

Dies ist auch Julie von Hausmann passiert. 

Während sie in ihrer kühlen Art nie viel Aufhebens um sich machen wollte, erkannte eine Freundin den inneren Reichtum, die Wärme und die Empfindsamkeit ihrer Dichtung.

Das Echo, das die veröffentlichen Gedichte hatten, machten Julie einerseits verlegen, andererseits erkannte sie, dass es eine Gabe Gottes war, die sie nutzen sollte zum Wohl aller. 

Die Trauer, das Schwere waren aus ihrem Leben nicht einfach verschwunden, aber sie hatten sich verwandelt in neues Leben, in neue Bindungen, in neue Aufgaben.

Und so ist die Geschichte dieses Liedes eine Geschichte von Tod und Auferstehung, von Trauern und Loslassen, von Schmerz und wiedergewonnenem Vertrauen.

Mit den heiligen drei Königen der Epiphanias Zeit und mit Paulus erlebe ich, dass ich diese Kraft brauche. 

Und Gott verspricht uns in Jesus Christus diese Kraft, diese Lebensenergie. 

Nicht im vornherein für alle Zeiten. 

Und auch nicht so, dass wir vor Kraft nur so strotzen und irgendwann meinen, wir könnten es allein.

Sondern immer dann, wenn wir selbst mutlos und matt sind. Wenn uns alles zu viel wird. Dann finden wir in der guten Nachricht die Kraft, die unserem Leben die Dynamik schenkt, die wir heute brauchen. 

Und auch morgen werden wir die Kraft finden, die wir für den morgigen Tag brauchen.

Das verspricht uns Gott. 

Und dieses Versprechen und die Liebe Gottes kennt keine Grenzen.

Gottes Gnade und Gottes Erbarmen sind für uns Menschen nicht immer nachvollziehbar.

Das liegt wohl daran, dass Gottes Liebe unsere eigene so sehr übersteigt.

Gottes Reich ist vielsprachig und bunt.

Dieses Vertrauen in Gottes Liebe habe ich bei Begegnungen mit Menschen aus unserer Partnergemeinde Pretoria in Südafrika erlebt.

Die erste Begegnung war 2013 als eine Delegation von dort hier in unserem Kirchenkreis zu Besuch war und ich diese mit begleiten durfte. 

Als ich dann 2015 mit einer Delegation aus unserem Kirchenkreis nach Pretoria reisen durfte, erlebte ich nicht nur eine herzliche Gastfreundschaft und faszinierende Landschaften, sondern lernte Menschen kennen, die zu Freunden wurden. 

Außerdem feierten wir dort wunderbare Gottesdienste mit afrikanischer Musik in denen ich das Vertrauen in Gottes Liebe erleben durfte und Menschen traf, die vorbehaltlos auf Gott vertrauen und an Gott glauben; 

So sind wir im Partnerschaftskomitee auch traurig, dass die Kommunikation seit Corona und durch eine Stellenneubesetzung sich momentan etwas schwierig gestaltet.

Wir hoffen und beten, dass die über 40jährige Partnerschaft zu Pretoria wieder neu belebt wird und weiter bestehen wird. So dass wieder Begegnungen auf Augenhöhe stattfinden. So Gott will!

AMEN